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Eine Feministin wider Willen – Comic über Simone de Beauvoir

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AUTOR/IN
Kristine Harthauer

Die Philosophin Simone de Beauvoir ist eine feministische Ikone. Ihre These, man werde nicht als Frau geboren, sondern zu einer gemacht, hat nichts an Aktualität eingebüßt. Autorin Julia Korbik und Zeichnerin Julia Bernhard zeigen Simone de Beauvoir in ihrer klugen und liebevoll gestalteten Graphic Novel als rebellischen und eigensinnigen Kopf.

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Insolvenz des Vaters als Befreiungsschlag

Eine Tochter aus gutem Hause, das war Simone de Beauvoir. Ein Schleifchen im Haar, ein Haus auf dem Land, eine gute Schulbildung. Die hatte sie auch dringend nötig, nachdem ihr Vater durch Aktien-Spekulationen den Großteil seines Vermögens und damit auch die Mitgift für seine beiden Töchter verloren hatte.

Für Simone bedeutete das: Sie muss als erwachsene Frau selbst für sich sorgen und kann nicht auf einen wohlhabenden Ehemann setzen. Was Anfang des 20. Jahrhunderts für andere Mädchen aus gutem Hause ein großer Schock gewesen wäre, war für Simone de Beauvoir ein Befreiungsschlag.

Ein Leben gegen alle Konventionen

Julia Berrnhard ist von Simone de Beauvoir fasziniert: „Sie hat dieses ‚Ich lebe mein Leben gegen alle Konventionen und stelle alles in Frage und nehme nichts als gegeben hin’ total gelebt und konsequent durchgezogen.“ Die Comiczeichnerin hat zusammen mit der Journalistin Julia Korbik das Leben von Simone de Beauvoir in einen Comic umgesetzt.

Simone de Beauvoir: "Ich möchte vom Leben alles" Site 102 (Foto: Pressestelle, Rowohlt Verlag)
Simone de Beauvoir und Jean-Paul Satre: Wer hat eigentlich wen mehr beeinflusst?

Anstatt chronologisch-kleinteilig de Beauvoirs gesamtes Leben nachzuerzählen, legen sie den Schwerpunkt auf Simones geistige Entwicklung. Dabei spannt sich der zeitliche Bogen von den 1920er Jahren, in denen Simone studiert und anfängt, ihre Rolle als Frau in der Welt zu reflektieren, bis hin zu den 1970er Jahren, in denen sie maßgeblich den Kampf für Abtreibungsrechte in Frankreich unterstützt.

Der Comic zeichnet damit Simones intellektuelle Entwicklung nach, ohne abstrakt und trocken zu sein. Und vor allem zeigen die beiden Macherinnen, wie modern Simone de Beauvoirs Feminismus ist: „Menschenrechte für Frauen waren bis in die 70er keine Selbstverständlichkeit. Und heute wird wieder zur Disposition gestellt, inwiefern Frauen Autonomie über ihren Köper haben sollen“, sagt Julia Bernhard.

Julia Korbik ist Simone de Beauvoir-Expertin

Das Skript und die Dialoge stammen von Julia Korbik, die sich bereits mit ihrem Sachbuch „Oh, Simone“ als ausgewiesene Simone de Beauvoir-Expertin gezeigt hat. Julia Bernhard macht die Geschichte mit klaren Linien und in existentialistisch anmutenden schwarz-weiß Tönen lebendig.

Bernhards Simone de Beauvoir trägt gemusterte Kleider und natürlich ihre ikonische Hochsteckfrisur samt Haarband. Die beiden zeigen Simone de Beauvoir nicht nur als klugen Kopf, sondern auch als zweifelnden und liebenden Menschen.

Jean-Paul Satre spielt untergeordnete Rolle

Wichtig – aber bei Julia Korbik und Julia Bernhard nicht zu wichtig: Jean-Paul Sartre, Begründer des Existenzialismus und Simone de Beauvoirs langjähriger Partner. Gehe es um de Beauvoir, käme man an Sartre nicht vorbei.

Die Macherinnen hätten aber Simone als eigenständige Person zeigen wollen. „Sie hat Sartre sehr viel mehr geprägt als man ihr zugesteht“, sagt Julia Bernhard.

Eine Inspiration für junge Frauen

Dass Simone de Beauvoir eine ganz und gar eigenständige Denkerin war, machen Julia Bernhard und Julia Korbik in ihrem klug aufgebauten Comic deutlich. Nicht nur, aber besonders für Leser*innen, die zum ersten Mal mit Simone de Beauvoir in Berührung kommen, eignet sich der Band hervorragend.

Zusammen mit einem aufwändig recherchierten Literaturverzeichnis macht er Lust, es Simone de Beauvoir gleichzutun und so eigensinnig und mutig wie sie eigenen Ideen nachzugehen. Das hofft auch Julia Bernhard:

 „Vielleicht ist es ein Anreiz, wenn jüngere Frauen den Comic lesen: Nehmt euch Zeit für euch selbst. Gebt euren Gedanken Raum. Sie sind wichtig.“

Platz 2 (73 Punkte) Simone de Beauvoir: Die Unzertrennlichen

Freundschaft, Liebe und die Tragik eines frühen Todes: „Die Unzertrennlichen“ ist ein rührendes Buch, das die Lebensgegensätze von persönlicher Freiheit und Konformismus, Liberalität und Katholizismus vor Augen führt.

3.6.1971 "Wir haben abgetrieben" – Die Stern-Kampagne, initiiert von Alice Schwarzer

3.6.1971 | Es war eine der bekanntesten Titelgeschichten der Zeitschrift "Stern" und zugleich die Kampagne, mit der die Journalistin Alice Schwarzer als Kämpferin für Frauenrechte bundesweit bekannt wurde. Sie erschien am 6. Juni. 374 prominente Frauen erklären darin öffentlich, dass sie abgetrieben hätten und fordern die Abschaffung des Paragrafen 218. Zwei Monate zuvor hatte es schon eine ähnliche Kampagne in Frankreich gegeben, an der Alice Schwarzer ebenfalls beteiligt war. Bevor die Ausgabe des "Stern" erscheint, schaltet er Anzeigen in verschiedenen deutschen Tageszeitungen. Davon handelt der folgende Bericht vom 3. Juni im Süddeutschen Rundfunk. Alice Schwarzer wird dabei nicht erwähnt, man kennt sie noch kaum. Dafür die Schauspielerin Vera Tschechowa. Denn die Bild-Zeitung behauptet, Tschechowa habe nicht gewusst, was sie da unterschreibe. Also ruft der Reporter sie einfach an und fragt sie. Tschechowa erklärt, sie stehe zu ihrer Aussage.
Nachdem dieser Sachverhalt geklärt ist, geht die Sendung auf die juristischen Folgen dieser öffentlichen Selbstbezichtigung ein. Der ehemalige Bundesrichter Heinrich Jagusch erklärt, dass die Staatsanwaltschaft nach dieser Kampagne keineswegs zwangsläufig aktiv werden müsse.

Feminismus Feministische Ikone und Reizfigur zugleich – Alice Schwarzer wird 80

Alice Schwarzer polarisiert wie kaum eine andere. Mit ihren unnachgiebigen Positionen zu den Fragen der Gegenwart – Kopftuch, Prostitution, Queer-Feminismus – hat sie sich ins Abseits aktueller feministischer Debatten manövriert. Für die Frauenbewegung der 70er-Jahre hat sie hingegen Außerordentliches geleistet.

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Kristine Harthauer