Literatur

Adelsschlag für Fantasy-Literatur: „Am Anfang ist der Tod“ von Jesús Cañadas erscheint bei Suhrkamp

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AUTOR/IN
Silke Arning

Zum Auftakt des Fantastikfestival „Dragon Days“ stellt der spanische Bestseller-Autor Jesús Cañadas seinen neuen Roman „Am Anfang ist der Tod“ vor.  Das Buch ist – und das ist wirklich ungewöhnlich – im renommierten Suhrkamp Verlag erschienen. Ein Adelsschlag für die oft als nette Unterhaltungslektüre angesehene Fantasy-Literatur?

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Ein blutiger Zahn deutet auf ein grausamen Verbrechen hin

Eine 16-jährige Schülerin ist aus dem Zimmer ihres katholischen Internats verschwunden. Ein blutiger Zahn lässt vermuten, dass sie einem grausamen Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Die Polizei ermittelt. Schauplatz ist Berlin –heruntergekommen, verloren, die Menschen innerlich verroht.

In Berlin wüten die Dämonen

Der Roman von Jesús Cañadas lässt sich erst einmal wie ein Großstadtkrimi an, sagt Organisator der Dragon Days Thomas Klingenmaier: Zunächst könnte man glauben, es sei eine Abrechnung mit der Großstadt als nicht mehr bewohnbarer Ort.

Erst danach würde klar, dass die Beschreibungen des Grauens nicht metaphorisch sind: "Berlin ist tatsächlich durchlässig geworden für Dämonen und dass das, was hier Menschen angetan wird, eigentlich nicht mehr in unseren menschlichen, diesseitigen Maßstäben zu messen ist.“

Vorbild Stephen King

Nicht ohne Grund gehört der Altmeister des Horrors, Stephen King, zu den großen Vorbildern des spanischen Autors. Cañadas selbst will seine Literatur nicht in ein bestimmtes Genre einordnen. "Ich schreibe einfach die bestmögliche Geschichte", meint er, aber in all seinen Romanen gebe es übernatürliche Elemente.

Und ähnlich wie King setzt Jesús Cañadas auf die Kraft der Suggestion. Bis auf einige, zugegeben überdeutlich brutale Szenen provoziert das allgegenwärtige Grauen ganz eigene Bilder im Kopf.

Der Suhrkamp Verlag sei mit der Einordnung des Romans als Krimi eigentlich auf der falschen Fährte, meint Thomas Klingenmaier. Seien Vermutung: mit dem Etikett Fantasy tun sich Verleger immer noch schwer.

Image-Problem der Fantasy-Literatur

Fantasy hat in Deutschland noch immer ein Image-Problem. Obwohl oft und gern gelesen, wird sie als Unterhaltungsliteratur abgetan oder in die Kinder- und Jugendbuchecke einsortiert. Es gibt Berührungsprobleme, die auch Autor Jesús Cañadas kennt. Seiner Beobachtung nach wurde Fantasy lange Zeit nicht als ernsthafte Literatur angesehen, langsam erobere sie die Popkultur.

Gewalt gegen Frauen –Roman mit harter Gesellschaftskritik

Der einzige Weg, die Vorurteile gegen Fantasy-Literatur zu bekämpfen, bestehe darin, die bestmöglichen Romane zu schreiben. Und Jesús Cañadas tut es auf seine Weise.

Denn seine Geschichte ist im Kern harte Gesellschaftskritik, geht es doch um eine Reihe sehr verstörender Verbrechen an Frauen. Doch er belässt es nicht bei der klassischen Frauenopferrolle.

Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Gewalt gegen Frauen ist ein riesiges gesellschaftliches Problem – in Spanien wie in Deutschland, so Jesús Cañadas, der mit seinem Roman dieses Thema sichtbar machen will.

Berlin ist für ihn ein Ort dieser Gewalt, die sich nicht nur gegen Frauen richtet, sondern auch gegen Migranten, gegen Fremde, gegen Menschen, die sich in Berlin durchschlagen müssen und dabei auf eine feindliche Umgebung treffen.

„Am Anfang ist der Tod“ ist Fantasy, die nichts mit Eskapismus in fremde Welten zu tun hat. Sie ist vielmehr Spiegel einer sehr herausfordernden, komplexen Zeit, der Versuch auch, schwierige Themen auf eine andere Art zu transportieren. Denn der Horror, den Jesús Cañadas beschreibt, ist in gewisser Weise sehr real.  

 

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