Auswege aus der digitalen "Falle"

So finden Sie Hilfe bei Stress und psychischer Erschöpfung

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Hanns Lohmann
Hanns Lohmann (Foto: SWR)
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SWR1

Jede dritte Krankschreibung hat mit psychischer Erschöpfung zu tun. Wir haben mit Psychotherapeut Prof. Martin Teufel über Stress und Entspannung gesprochen.

Schneller, höher, weiter – dieser Druck treibt viele Menschen in die Erschöpfung. Mit psychischer Erschöpfung haben sich vergangene Woche auch verschiedene Experten auf einem Kongress in Berlin beschäftigt. Allen voran der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie, Prof. Martin Teufel.

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SWR1: Wir sind ständig digital unterwegs, telefonieren und schreiben währenddessen eine Mail - purer Stress also. Warum tut uns das nicht gut?

Prof. Martin Teufel: Sie sprechen diese ständige Erreichbarkeit an, dieses ständige, mit dem Außen beschäftigt sein und keine Ruhepause haben. Es ist tatsächlich ein wichtiger Grund, warum wir in die Erschöpfung kommen. Wir sind eigentlich nicht mehr in der Lage, tatsächlich auch mal Ruhe auszuhalten oder überhaupt Ruhe für uns zu finden.

SWR1: Wo fängt es an, dass es sich bei diesem Stress um einen behandlungsbedürftigen Zustand handelt, dass die Leute tatsächlich bei Ihnen in der Klinik landen?

Teufel: Das ist individuell sehr unterschiedlich. Es ist wichtig, darauf zu schauen, wie es dem individuellen Menschen geht. Wie kommt er klar, wie schläft er? Hat er noch Möglichkeiten, sich zu entspannen? Ist er ständig unter einem Druck durch die dauernde Erreichbarkeit?

Man muss gucken, wie fühlt er sich im Alltag? Hat er noch das Gefühl, Dinge beeinflussen zu können? Und wenn das alles entweder fehlt oder das Negative zu viel wird, ist es wichtig zu schauen, wie es mit depressiven Gefühlen und mit Ängsten im Alltag und im Berufsleben ist.

SWR1: Wie schaffen wir es, uns vom digitalen Stress möglichst nicht beeinflussen zu lassen?

Teufel: Die Zeit können wir nicht zurückdrehen. Und es wird auch noch mehr, wenn wir an künstliche Intelligenz (KI) denken. Wir haben nicht mal mehr Zeit, Dinge zu recherchieren und uns mit Fakten auseinanderzusetzen. Es geht künftig vielleicht vor allem darum, KI-Ergebnisse zu bewerten, ob sie stimmen oder ob sie nicht verwendet werden können. Und das macht es nochmal viel schneller.

Wir müssen gesellschaftlich echt aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren, die ihr Leben vielleicht langsamer takten wollen.

Wir hatten durch Corona schon eine riesige Beschleunigung über Videokonferenzen, wo wir keine Fahrzeiten mehr hatten und uns zusammengesetzt haben, auch mal Menschen getroffen haben. Das wird alles viel schneller. Wir müssen gesellschaftlich echt aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren, die ihr Leben vielleicht langsamer takten wollen.

Entspannung lernen mit Cozy und Serious Games?

SWR1: Was halten Sie von sogenannten Cozy Games – also Entspannungsspiele am PC?

Teufel: Ja, es kann eine Möglichkeit sein. Ich glaube, es ist eher etwas, worauf wir bei jungen Menschen schauen müssen. Die sind ja sowieso sehr viel am Smartphone oder an der Konsole. Und da ist es sicherlich gut, wenn man an solche Arten von Games denkt.

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In den vergangenen Jahren eigenes Videospiel-Genre entstanden: die sogenannten "Cozy Games". Gemütliche Spiele, zum Herunterkommen, Entspannen und Entschleunigen.

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Es gibt es auch therapeutische Spiele, die "Serious Games", die man einsetzt, wenn es um bestimmte Wissensvermittlung gerade im Umgang mit psychischer Gesundheit und psychischer Belastung geht. Wenn das die Möglichkeit ist, dass ich dann in Entspannung komme, kann das eine Alternative sein. Nicht verlernen sollten wir, dass wir auch mal im Wald spazieren gehen oder uns in die Sonne setzen oder auch mal einen Kaffee im Garten trinken.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.

Mehr Informationen über Prof. Martin Teufel an der Uniklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Essen.

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