Krisen, Kriege, Arbeitsstress - Was Menschen in die Erschöpfung treibt. (Foto: IMAGO, imago)

Psychosomatik

Krisen und Burnout - Was Menschen in die Erschöpfung treibt

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Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Burnout, chronische Erschöpfung, Stress - Psychische Erkrankungen sind der dritthäufigste Grund für Krankschreibungen. Bei einem Kongress in Berlin werden derzeit die Auswirkungen der extremen Beschleunigung auf unsere Psyche diskutiert.    

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Zahlreiche Menschen haben das Gefühl, dass die Dinge zunehmend und immer schneller aus den Fugen geraten. Doch welche Faktoren sind es, die Menschen immer häufiger in die Erschöpfung treiben? Damit beschäftigt sich beschäftigt sich ab dem 13. März der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie und des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM).  

Erschöpfung durch chronischen Stress: Die extreme Beschleunigung hat Auswirkungen auf unsere Psyche

Kongresspräsident Martin Teufel betont, wie stark diese teils extreme Beschleunigung unser Erleben prägt und auch für unsere psychische Gesundheit von großer Bedeutung sei:

Digitalisierung macht Dinge wirklich rapide, zum Teil schneller, höher, weiter - das ist so glaube ich, was sehr Motivierendes, dass wir in unseren modernen Zeiten eine Beschleunigung erfahren können und Dinge total schnell werden. Aber es hat auch auf der anderen Seite eine Bedrohlichkeit. Vor allem, wenn Menschen nicht mehr das Kontrollgefühl haben in ihrem Alltag.

Krisen, Kriege, Arbeitsstress - immer mehr Menschen sind den aktuellen Herausforderungen nicht mehr gewachsen. Die Folgen: Stress, Überlastung, Burnout, Erschöpfung. (Foto: IMAGO, IMAGO/Zoonar.com/Berit Kessler)
Krisen, Kriege, Arbeitsstress - immer mehr Menschen sind den aktuellen Herausforderungen nicht mehr gewachsen. Die Folgen: Stress, Überlastung, Burnout, Erschöpfung.

Depressionen, Burnout und Erschöpfung - Zahl psychischer Erkrankungen steigt

Mittlerweile sind psychische Erkrankungen der dritthäufigste Grund für Krankschreibungen. Und bei reduzierter Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit sind die psychischen Erkrankungen mit 42 Prozent die wichtigste Ursache, berichtet Psychotherapeut Teufel.

Jüngste Befragungen hätten gezeigt, wie ausgeprägt seelische Belastungen am Arbeitsplatz seien. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berichten, es sei vorrangig der Zeitdruck, der sie belaste. Oft seien es aber auch eigene Ansprüche: denn man wolle ja auch gut sein im Job.

Heutzutage ist man ständig erreichbar und hat dadurch oft auch nicht mehr diese Ruhepausen, die ein Organismus so psychisch und körperlich braucht.

Gesellschaftliche Krisen erhöhen psychische Belastung vieler Menschen

Die hohe psychische Belastung vieler Menschen sei jedoch nicht allein den beschleunigten Arbeitsabläufen zuzurechnen, sagt Psychotherapeut Teufel. Arbeit könne auch Halt geben und sei für viele Menschen ein stabiler Posten in ihrem Leben. Stephan Herpertz, Präsident des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin, erläutert:

Auf einmal kommen da riesige Krisen auf die Gesellschaft zu. (…) Und man kann ganz pauschal sagen - zu einem gesellschaftlichen und damit auch individuellen Stress kommt es immer dann, wenn wir mit neuen Herausforderungen konfrontiert werden, die wir entweder nicht kennen oder denen gegenüber wir keine Resilienz haben oder drittens, salopp gesagt, die uns einfach umhauen.

Erschöpfung. Die psychische Belastung hat für viele Menschen in den letzten Jahren zugenommen. (Foto: IMAGO,  IMAGO/Zoonar.com/Berit Kessler)
Die psychische Belastung hat für viele Menschen in den letzten Jahren zugenommen. Die Batterien sind leer.

Krisen erzeugen Stress und können auch zu körperlichen Störungen führen

Diese psychisch belastenden Krisen brechen zudem gefühlt immer schneller über uns herein. Martin Teufel beobachtet das auch als Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Essen:

Unsere Welt ist sehr viel schneller geworden. Wir leben in sozialen Medien, wir haben die Klimakrise. Wir fühlen uns bedroht. (…) Dinge geraten aus den Fugen und überall, wo die Psyche nicht einordnen kann, wie verhalte ich mich in diesem Kontrollverlust - da reagiert sie mit Stress, mit entsprechender Emotion, aber auch mit Körpersymptomen.

Reden kann dabei helfen, Stress abzubauen und damit möglicherweise einer Erschöpfung vorbeugen. (Foto: IMAGO, imago)
Reden kann dabei helfen, Stress abzubauen und damit möglicherweise einer Erschöpfung vorbeugen.

Burnout und Erschöpfung vorbeugen: Reden kann helfen, Stress abzubauen

Doch was kann man tun? Wie das Kontrollgefühl wieder zurückgewinnen? Der Kongresspräsident und Psychotherapeut rät im Bezug auf Arbeitsplatz oder Arbeitsabläufe erst mal zu schauen, was man selbst beeinflussen kann:

Wo kann ich mit Vorgesetzten sprechen, mit Kollegen sprechen, damit irgendwie Dinge wieder kontrollierbarer erscheinen? Klappt es, dass ich nicht ständig erreichbar bin?

Manches kann man als Einzelner aber gar nicht beeinflussen. Vor allem wenn es um größere Krisen geht wie Klimawandel oder auch um Kriegsgefahr: Therapeut Teufel sieht die Lösung darin, den Menschen wieder ein Kontrollgefühl zu geben. Das könne zumindest ansatzweise durch mehr Mitbestimmung im Arbeitsprozess erreicht werden.  

Ich glaube, ein Arbeiter -  der kann schneller mit was umgehen, wenn er so ein Gefühl hat:  Hoppla, ich habe so eine kleine Mitbestimmungsmöglichkeit. Wenn ich jetzt – ich mach ein komisches Beispiel -  zehn Autos zusammenbauen muss in einer gewissen Zeit, dass ich dann entscheiden kann, mach ich jetzt das gelbe und grüne zuerst und dann das rote und blaue oder mach ich es andersrum.

Angesichts des Beschleunigungsdruckes, aber auch der zahlreichen Krisen sei es enorm wichtig, das Gefühl zu haben, ich selbst kann auch etwas gestalten und mitbestimmen.  



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