Illustration Regenwolke im Kopf, tags: Psychische Erkrankung, Diskriminierung (Foto: IMAGO, fStop Images)

Psychologie

So beeinträchtigt Diskriminierung die psychische Gesundheit

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Leila Boucheligua

Diskriminierung verschlechtert direkt und unmittelbar die psychische Gesundheit – und zwar auch, wenn man zuschaut. Mit einer aktuellen Übersichtsarbeit zeigen Forschende der Universität Mannheim die Wirkung von Diskriminierungen auf die psychische Gesundheit erstmals klar auf.

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Diskriminierung und schlechtere psychische Gesundheit treten häufig gemeinsam auf – die psychologische Forschung sieht da klar einen Zusammenhang. Doch die Mannheimer Forscherinnen wollten herausfinden, ob sich Diskriminierung unmittelbar auf die psychische Gesundheit auswirkt und das nicht wegen der Effekte, die Diskriminierung insgesamt auf die Lebensführung haben kann: 

Aus Diskriminierung resultierende Lebensumstände führen zu schlechterer psychischer Gesundheit, zum Beispiel schlechtere Arbeitsbedingungen, weniger finanzielle Ressourcen. Aber auch umgekehrt kann eine schlechtere psychische Gesundheit beispielsweise dazu führen, dass ich eher Diskriminierung erkenne und berichte. Um diesen kausalen Effekt untersuchen zu können, braucht es experimentelle Studien.

Übersichtsarbeit zu Diskriminierung und psychischer Gesundheit

Ganze 73 experimentelle Studien mit über 12.000 Teilnehmenden hat die Forschungsgruppe um Mannheimer Gesundheitspsychologin Christine Emmer für ihre Übersichtsarbeit ausgewertet. Die vielen verschiedenen Experimente wurden mit all ihren Stärken und Schwächen analysiert.

Das Ergebnis zeigt laut Emmer deutlich, dass die Gruppe, die Diskriminierung erlebt im Vergleich zu der Gruppe, die beispielsweise allgemein Stress erlebt hat, unter sonst gleichen Bedingungen eine schlechtere psychische Gesundheit aufweist.

Das bedeute beispielsweise erhöhten Stress, negative Stimmung oder Angst. Dabei betont Emmer, dass die Studie so relevant sei, weil diese akuten Indikatoren wichtige Bestandteile der allgemeinen psychischen Gesundheit und auch psychischen Störungen seien.

Bunte Menschenfiguren, tags: Diskriminierung, Psychische Erkrankungen (Foto: IMAGO, Zoonar)
Es gibt noch zahlreiche Diskriminierungsformen, die bisher kaum erforscht sind. Zum Beispiel Diskriminierung aufgrund von sozialer Klasse, Identität, Religionszugehörigkeit, Behinderung und Alter.

Beobachten von Diskriminierung hat starken Effekt

Überraschend ist, dass die Diskriminierungswirkung als besonders stark eingeschätzt wird, wenn Teilnehmende beobachten, wie andere diskriminiert werden. Dieser starke Stellvertreter-Effekt kommt dann zustande, wenn Menschen sehen, dass jemand, der ihre soziale Identität teilt, diskriminiert wird.

Hier gehen wir davon aus, dass die beobachtete Situation auch Aussagen oder Informationen über die eigenen gesellschaftliche Position und Marginalisierung beinhaltet und somit dann auch eine direkte persönliche Bedrohung oder Betroffenheit darstellt.

Ein weiteres, ebenfalls überraschendes Ergebnis war, dass eine Diskriminierungserfahrung im Labor lange nicht so schwer wiegt, wie die Erinnerung der Teilnehmenden an eine tatsächlich reale Diskriminierung in ihrer Vergangenheit. Psychologin Emmer meint, das liegt an den doch sehr künstlich wirkenden Laborbedingungen. 

Im echten Leben der Betroffenen ist meistens genau das Gegenteil der Fall. Erinnerungen an solche realen diskriminierenden Situationen können noch Jahre später auch in einem kontrollierten Labor negative Gefühle auslösen. 

Privilegierte Gruppen leiden am wenigsten unter Diskriminierung

Bisher hat sich die Forschung vor allem mit Diskriminierung durch Sexismus und Rassismus beschäftigt. Am wenigsten leiden unter Diskriminierungen übrigens Männer – und zwar jene, die sich in privilegierten Umgebungen und Positionen aufhalten, da hierbei der Unterbau einer strukturellen Diskriminierung und von Stigmata und Marginalisierung nicht besteht, erklärt Emmer.

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