Otto Rommel aus Magstadt erfüllte sich vergangenen Februar einen Lebenstraum: eine Weltreise. Thailand, Australien und Peru schaffte er noch, dann machte ihm das Coronavirus allerdings einen Strich durch die Rechnung. Er musste die Reise abbrechen. Das Aus für seinen Traum und der Beginn seines Albtraums.
Er hat sich auf seiner Reise mit dem Virus infiziert und muss zurück in Deutschland auf der Intensivstation behandelt werden. Er hat einen schweren Verlauf, aber überlebt – wenn auch knapp. Aber damit ist sein Leidensweg noch nicht zu Ende.
Otto Rommel gehört zu den vielen Menschen, die unter Langzeitfolgen des Virus leiden. Wie viele es genau sind, lässt sich nur schwer sagen. In einem Artikel des Fachmagazins Nature werden unterschiedliche Zahlen aus unterschiedlichen Studien genannt: Zwei bis drei Wochen nach der Infektion sollen bis zu 87 Prozent der Patienten noch unter Symptomen leiden. Nach drei Monaten sind es immerhin noch 24 Prozent. Allerdings werden hier nur die Patienten gezählt, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. In einem anderen Artikel schreibt Nature von einem kalifornischen Arzt, der die Zahl auf weniger als 10 Prozent schätzt.
Mehr Einigkeit herrscht da schon über die Symptome, die das als "Long Covid" bezeichnete Syndrom auslöst. Am häufigsten nennen Betroffene das sogenannte Fatigue, eine Gefühl des Schlappseins. Schon einfache Tätigkeiten können zum Teil nicht mehr erledigt werden. Das spürt auch Otto Rommel. Kurze Spaziergänge mit seinem Hund gehen gerade noch.
Rommel leidet auch unter Depressionen und sein Kurzzeitgedächtnis ist nachhaltig beeinträchtigt. Andere Betroffene berichten von langanhaltender Kurzatmigkeit, die auf eine Schädigung der Lunge zurückzuführen sein könnte.
Ärztinnen und Ärzte am Klinikum Stuttgart berichten allerdings, dass sich von SARS-CoV-2 geschädigte Lungen deutlich besser erholen, als es bei SARS-CoV-1 (verantwortlich für die SARS-Pandemie 2002/03) der Fall ist. Demnach gibt es bei Covid-19 eine gute Chance, dass die Lunge nach ausgestandener Erkankung vollständig heilt.
Das Coronavirus ist nicht das einzige Virus, das solche Spätfolgen hervorrufen kann. Das Epstein-Barr-Virus zum Beispiel kann zu langanhaltenden Symptomen führen. Das Guillan-Barré-Syndrom ist eine neurologische Erkrankung, die sich nach einer Virusinfektion manifestieren kann.
Der Unterschied zum Coronavirus liegt in der schieren Masse an Infizierten in der aktuellen Pandemie. Selbst wenn es nur wenige Prozent der Infizierten wären, die langanhaltende Symptome hätten, dann wären es trotzdem noch Millionen von Menschen, die darunter zu leiden hätten.
Noch ist zu wenig über diese Spätfolgen bekannt, aber Grund dafür könnte das eigene Immunsystem sein. Schon bei einer akuten Infektion kann es zum sogenannten Zytokinsturm kommen, einer lebensbedrohlichen Überreaktion des Immunsystems. Und es gibt Hinweise, dass durch das Coronavirus Autoimmunerkrankungen hervorgerufen werden. Wissenschaftler spekulieren deshalb, ob "Long Covid" selbst vielleicht sogar eine Autoimmunerkrankung sein könnte. Das nach der Infektion überdrehte Immunsystem könnte sich dabei gegen den eigenen Körper wenden.
Immer häufiger gibt es Corona-Nachsorgeambulanzen, vor allem in größeren Kliniken, wie hier in der Uniklink Freiburg. Dort werden die Betroffenen versorgt und es werden wichtige Daten gesammelt. Aber Otto Rommel sucht auch den Austausch mit Menschen, denen es ähnlich geht, wie ihm: Er hat eine Selbsthilfegruppe gegründet, die erste ihrer Art in Baden-Württemberg. Das hilft, denn es bringt Verständnis für die Krankheit und das Gefühl nicht alleine zu sein. Außerdem kann er so auch für andere da sein und das gibt ihm Kraft.