„Es sei die einzige Stunde in der Woche, in der er sich als normalen Menschen behandelt fühle“, sagte einmal ein Häftling zu Ralph Hammer, der den Gefängnischor der JVA Karlsruhe leitet. Einmal pro Woche probt der Chor gemeinsam mit auswärtigen Interessierten unter Ralph Hammer.
Ein bisschen Normalität in der Extreme
„Der schönste Satz, der mir einfällt, war der, dass ein Häftling einmal gesagt hat, es sei die einzige Stunde in der Woche, in der er sich als normalen Menschen behandelt fühle. Es ist ein extremer Satz, aber der hat sich mir eingebrannt.“ erzählt Ralph Hammer. Er ist freier Kirchenmusiker in Karlsruhe und leitet den Gefängnischor in der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe.
Das Projekt wurde ehemals von den Geistlichen Diensten gestartet, bei den wöchentlichen Proben wird unter anderem Kirchenmusik gesungen, doch das genaue Programm entscheide sich von Woche zu Woche spontan, sagt Ralph Hammer. Die Musikauswahl hänge davon ab, wie die Stimmung sei, oder von der Jahreszeit, die Sängerinnen und Sänger bringen zudem auch ihre eigenen Wünsche mit.
![Ralph Hammer mit dem Gefangenchor in der JVA Karlsruhe (Foto: IMAGO, IMAGO / epd) Ralph Hammer mit dem Gefangenchor in der JVA Karlsruhe](/swrkultur/musik-klassik/1713354251521%2Cralph-hammer-vom-gefangenenchor-der-jva-karlsruhe-ueber-musik-im-strafvollzug-104~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Außerdem können nicht alle Noten lesen oder Deutsch sprechen, so Hammer. Man habe schon in Englisch oder Rumänisch gesungen, zwischen Gregorianik und Nationalhymnen war schon alles dabei.
Ständiger Wechsel
Da die Häftlinge in der JVA Karlsruhe sich in U-Haft befinden, wechseln die Teilnehmer recht häufig. Üblich ist eine Haftzeit von 3–12 Monaten, bis die Häftlinge versetzt oder entlassen werden. Dahinter verbirgt sich auch die Schwierigkeit eines großen Traums von Ralph Hammer.
Gerne würde er ein Projekt starten, bei dem über Jahre hinweg zum Beispiel das Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach geübt wird. Mit drei Tagen Hafturlaub solle dann ein großer Gefängnischor zusammen mit einem professionellen Orchester in der Stiftskirche Stuttgart vor Publikum auftreten.
Balance schaffen durch die Musik
Besonderheit beim Gefängnischor in Karlsruhe, ist die Teilnahme von Bürgerinnen und Bürgern aus Karlsruhe, die zusammen mit den Gefangenen singen. Dadurch kommen die Häftlinge in Kontakt zur Außenwelt.
Durch den Chor entstehe eine Balance zwischen den Extremen die in der JVA herrschen, das sei einer der Eigenschaften von guter Musik, so der Chorleiter.
Musikmarkt: Buch-Tipp Musik im Strafvollzug: Perspektiven aus Forschung und Praxis
Musikpädagogik findet schon lange auch dort statt, wo nicht alle Teilnehmenden von sich aus auf die Idee gekommen wären, ein Musikinstrument zu spielen oder in einem Chor zu singen. Weshalb sollte dem Musizieren nicht auch im Gefängnis ein höherer Stellenwert eingeräumt werden? Für die musikalische Arbeit an diesem speziellen Ort braucht man vor allem Willen, Motivation und die Unterstützung der Gefängnismitarbeitenden. Das sagen Fachleute für inklusive Musikpädagogik – nun bringen sie die musikalische Bildung im Gefängnis in die öffentliche Aufmerksamkeit. Matthias Nöther hat mit den Herausgebern eines neuen Buches zum Thema gesprochen und stellt das komplexe Feld von Musik im Strafvollzug vor.