Buch-Tipp

Daniel Ender: Alban Berg im Bild

Stand
Autor/in
Christoph Vratz

Das Verlangen, sich möglichst positiv in Szene zu setzen, ist keine Entwicklung im 21. Jahrhundert. Davon könnte auch der Komponist Alban Berg berichten, von dem es zahlreiche Porträt-Fotografien gibt, die Daniel Ender, Generalsekretär der Alban Berg Stiftung, in Buchform unter die Lupe genommen hat.

4.000 Bilder im Nachlass

Ein bisschen verräterisch mutet eine Aufnahme vom Sommer 1906 an. Dort sieht man einen großen schlanken Mann, Adolf Alexander Ritter von Eger, links davon seine künftige Frau, Smaragda Berg, und ganz rechts ihren Bruder Alban. Er hält in seinen Händen eine Kamera. Offenbar ein Mann, der die Fotografie liebt, wie auch sein späteres Erbe verrät.

Im Teilnachlass von Alban Berg in seinen ehemaligen Wohnräumen […] haben sich rund 4.000 Bilder erhalten: […] Darstellungen, mit denen die Wände geschmückt wurden, Fotografien, Fotopostkarten, Ansichtskarten, einige Zeichnungen und Drucke.“

Alban Berg Porträts
Alban Berg pflegte einige Freundschaften mit seinen zeitgenössischen Komponisten. Zu sehen sind Alban Berg mit Anton Webern (v. l., linkes Bild) im Sommer 1911 und Alban Berg in seinem Arbeitszimmer unter einer Fotografie von Gustav Mahler aus der Porträtserie „Der Hofoperndirektor in der Wiener Staatsoper“ von Moritz Nähr, Wien 1907.

Aus dem der Öffentlichkeit bislang weitgehend verborgen gebliebenen Nachlass sind weitere hunderte Bilder hinzugekommen. Das Spektrum ist groß und reicht vom zweijährigen Alban im üppig bestickten Kinderanzug bis zu einem letzten Porträt aus Wien im Herbst 1935, als Berg schon an den Folgen seines letztlich tödlichen Insektenstichs litt.

Schwierige Datierung

Daniel Ender ist Musikwissenschaftler und Generalsekretär der Alban Berg Stiftung. Er hat dieses Material gesichtet, ausgewertet und die Ergebnisse seiner Arbeit in einem Foto-Bildband veröffentlicht.

Die Kommentare zu den gezeigten Aufnahmen sind bewusst knapp gehalten, oft geradezu sparsam, was auch mit Problemen einer genauen Datierung zusammenhängt. Denn von einigen Fotos gibt es gleich mehrere Abzüge, was die Sache allerdings nicht einfacher macht.

Manchmal liegen zwischen den Datierungen derselben Abzüge mehrere Jahre. Ein Puzzle-Spiel, dem sich Daniel Ender mit größtmöglicher Sorgfalt gewidmet hat.

Ein Komponist im Auto oder Zoo

Ender hat ein Bilderbuch im eigentlichen und besten Sinne des Wortes herausgegeben. Das hängt auch mit seiner überlegten Anordnung des Materials zusammen. Weitgehend folgen wir Bergs Leben in chronologischer Folge. Doch zwischendurch gibt es beispielsweise ein Kapitel über Bergs Freizeitvergnügen von A wie Auto bis Z wie Zoo.

Alban Berg Porträts
Im Buch finden sich auch Karikaturen. Diese stammt von Benedikt Fred Dolbin aus dem Jahr 1924 und trägt den Titel „Vom Wiener Theater- und Musikfest. Dr. Anton Webern und Alban Berg bei einer Besprechung im Café. Dr. Fritz Stiedry und Arnold Schönberg am Nebentisch”

Man sieht den Komponisten stolz am Steuer eines alten Ford-Wagens am Fuße der Berge, neben ihm, mit modischem Hut, seine Frau Helene. Im September 1930 heißt es in einem Brief an Arnold Schönberg:

„[Wir] erfreuen […] uns täglich nachmittag der Ausfahrten in herrlich schöne, bisher so schwer erreichbare Gegenden und empfinden die physische Unabhängigkeit, die einem ein solches Fahrzeug verschafft, sehr wohltuend.“

Freizeit und Wehrdienst

Außerdem sieht man Berg 1911 knöcheltief im Ossiacher See stehend, bereit zum Baden; 1926 entspannt auf einer Wiese sitzend, die Beine lässig übereinandergeschlagen; um 1930 begegnen wir ihm auf der Tribüne des Fußballplatzes „Hohe Warte“. Zudem gibt es ein eigenes Kapitel, das dem Soldatenleben gewidmet ist: Alban Berg in Uniform, immer wieder. 1918 schreibt er:

Meine Gesundheit hat in den 3½ Jahren meines Militärdienstes derart gelitten, daß ich jetzt Monate, ja vielleicht Jahre brauchen werde, um wieder annähernd so gesund zu werden, wie ich es vor dem Krieg […] war.“

Schüler und Freund Arnold Schönbergs

Was in einem solchen Buch natürlich nicht fehlen darf, ist ein Kapitel über Bergs Werkstatt: sein Arbeitszimmer, seine Bibliothek, sein Schreibtisch, sein Bösendorfer-Flügel in der Trauttmansdorffgasse.

Alban Berg Porträts
Alban Berg am Bösendorfer-Flügel in der Trauttmansdorffgasse und am Fenster über dem eigenen Porträt, das Buch macht bisher unbekannte Fotos öffentlich.

Abgedruckt sind in diesem Buch außerdem einige wenige der bereits weithin bekannten Bilder, etwa eine Aufnahme an der Seite von Anton Webern oder das Porträt, das Arnold Schönberg um 1910 von seinem Schüler und Freund angefertigt hat. 

Privat aber ohne Voyeurismus

Nach der im Jahr 2020 erschienen Bild-Dokumentation „Zuhause bei Helene und Alban Berg“ hat Daniel Ender nun einen zweiten Bild-Band veröffentlicht, der uns erlaubt, Berg auf ungewöhnliche Weise näher zu kommen.

Ein Buch, das auch den Privatmenschen erlebbar macht; und zugleich ein Buch, das nie voyeuristisch wirkt. Daniel Enders „Alban Berg im Bild“ ist im Böhlau Verlag erschienen. 280 Seiten kosten (der Ausstattung angemessene) 45 Euro.

Musik von Alban Berg

SWR Web Concerts Vasily Petrenko dirigiert Strawinskys Petruschka

Werke von Franz Schreker, Alban Berg und Igor Strawinsky. Mit Chen Reiss (Sopran) und dem SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Vasily Petrenko. Livemitschnitt in der Stuttgarter Liederhalle vom 18.11.2022.

SWR Web Concerts Currentzis dirigiert Berg und Schostakowitsch

Mit Vilde Frang (Violine). Das SWR Symphonieorchester spielt unter der Leitung von Teodor Currentzis. Livemitschnitt in der Stuttgarter Liederhalle vom 20. Januar 2023.

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Christoph Vratz