Ingeborg Bachmann bei der Verleihung des Wildganspreises 1972 (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / brandstaetter images/Barbara Pflaum | Barbara Pflaum)

Literarisches Ausnahmetalent

Zum 50. Todestag von Ingeborg Bachmann: Die schönsten Werke der Schriftstellerin

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Eva Marburg
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Dominic Konrad

Ingeborg Bachmann erschien am deutschsprachigen Literaturhimmel der Nachkriegszeit wie ein Komet. Ihre unverkennbare literarische Stimme ließ sie schon zu Lebzeiten zur Legende werden. Zum 50. Todestag von Ingeborg Bachmann stellen wir Werke vor, die Einblicke in das Leben und Schreiben der Ausnahmeautorin geben.

Schon ihr erster Gedichtband „Die gestundete Zeit“ machte Ingeborg Bachmann zum Star der deutschsprachigen Literaturszene. Die genauen Umstände ihres tragischen Todes durch einen Verbrennungsunfall am 17. Oktober 1973, konnten bis heute nicht eindeutig aufgeklärt werden. 

„Herzzeit“: Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan 

Als Ingeborg Bachmann und Paul Celan sich am 16. Mai 1948 in der Wiener Literaturszene kennenlernen, prallen zwei Welten aufeinander: der aus Czernowitz stammende Celan, dessen jüdische Familie deportiert und ermordet wurde, und die Österreicherin aus dem provinziellen Klagenfurt, die eine behütete Kindheit erlebt hatte. 

Paul Celan, Ingeborg Bachmann (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance/ dpa | dpa)
Eine große Liebe, die von Anziehung und Ablehnung gleichermaßen geprägt ist: Ingeborg Bachmann und der Lyriker Paul Celan (1920 – 1970)

Beginn einer großen Liebesgeschichte zwischen zwei Dichtern 

Einen Tag nach dem ersten Treffen schreibt sie bereits an ihre Eltern:

In den kommenden, gemeinsam verbrachten sechs Wochen, bevor Celan nach Paris geht, entsteht die Basis für eine große Liebesgeschichte. Sie wird von Anziehung und Abstoßung geprägt sein und immer wieder neu geklärt werden müssen.  

SWR2 lesenswert Feature „Die Verbrennung". Berichte – Erinnerungen – Mutmaßungen zum Tod von Ingeborg Bachmann in Rom

Das Feature verwebt Christine Koschels Erinnerungen, ergänzt und relativiert durch andere Quellen, mit der Stimme Bachmanns zu einem Bild der Dichterin an der Schwelle des Todes. Sie starb am 17.Oktober 1973. (Produktion ORF 2022)

SWR2 lesenswert Feature SWR2

Gedichtzeilen als Liebescode 

Als lyrischer Schlüssel zu der Beziehung gilt Celans Gedicht „Corona“, das in Anspielungen in ihrem lebenslangen Briefwechsel immer wieder auftaucht, auf das sie sich beziehen und dessen Zeilen sie immer wieder wie einen Geheimcode verwenden:

In der Liebeserfahrung verdichtet sich die Zeit gleichzeitig zur Gegenwart und wird außer Kraft gesetzt:

Ingeborg Bachmann, 1965 (Foto: IMAGO, IMAGO / Michel Neumeister)
In seinem letzten Brief bedankt sich Paul Celan 1967 für Bachmanns Eintreten in der Achmatow-Affäre. Bachmann verließ den Piper-Verlag, nachdem der Verlag statt Celan den ehemalige HJ-Führer Hans Baumann mit der Übersetzung der Gedichte der unter Stalin verfolgten Lyrikerin Anna Achmatowa beauftragte.

 Briefe als Zeugnis der Liebe 

Die tiefe Verbindung, die Bachmann und Celan in Wien miteinander eingegangen sind, ist in ihren Briefen ablesbar. Es ist erschütternd, den Briefwechsel zu lesen, der das bewegende Zeugnis zweier Menschen ist, die sich liebten und gegenseitig verletzten, die einander brauchten und letztlich doch nicht miteinander leben konnten.

Wiederholt herrscht langes Schweigen, einmal flammt die Liebe nach sechs Jahren Stille noch einmal leidenschaftlich auf. Fast zwanzig Jahre lang kämpfen sie in ihren Briefen um die Liebe und Freundschaft des anderen: „Entzieh mir Deine Hand nicht, Paul, bitte nicht.“ 1961 kommt es zum endgültigen Bruch.  

Erzählband „Das dreißigste Jahr“: Weiblicher Blick auf die Männerwelt

Ingeborg Bachmann, 1959 (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / akg-images | akg-images)
Anfang der 1960er-Jahre wendet sich Ingeborg Bachmann der Prosa zu. Der Band „Das dreißigste Jahr“ erscheint 1961.

Ingeborg Bachmann veröffentlichte ihren ersten Band mit Erzählungen, „Das dreißigste Jahr“, im Alter von 35 Jahren. Sie hatte aufgehört Lyrik zu schreiben, weil sie, wie sie sagte, das Gefühl bekommen habe, „zu wissen, wie man ein Gedicht schreibt“

Lyrische Prosa 

Der Erzählband wird oft autobiografisch gedeutet, weil es häufig Überschneidungen von Lebensereignissen zwischen der Autorin und den Figuren gibt. Trotzdem leben die Erzählungen vor allem von ihrer sprachlichen Dichte und fast lyrischen Qualität.

So heißt es in der ersten Erzählung „Jugend in einer österreichischen Stadt“ über den österreichischen Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland:

In der Erzählung „Unter Mördern und Irren“ schildert sie eine Stammtischszene unter Männern in Wien. Hier klingt schon deutlich Ingeborg Bachmanns kritische, weibliche Perspektive auf die männlich geprägte Welt an. „Wenn sie zwecklos reden, sind sie auf ihrer eigenen Spur.“

Mythen und Sagen 

In der letzten Erzählung „Undine geht“ greift Bachmann typischer Weise einen Mythos auf, wie sich auch grundsätzlich die Sagen- und Märchenwelt durch ihr Werk zieht. Die Wasserfrau Undine, die Männer tötet, die ihr untreu sind, formuliert bei Bachmann einen radikalen Entwurf einer menschlichen Begegnung zwischen Mann und Frau.

Eine Begegnung auf Augenhöhe, ohne Verletzungen. Gleich zu Anfang schleudert sie der Leser*in ihre Wut entgegen: „Ihr Menschen! Ihr Ungeheuer!“ und fordert im weiteren Text weibliche Selbstbestimmung, unabhängig vom Mann, ein. 

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