Sexismus im Paris der 30er

Feministische Krimikomödie mit Isabelle Huppert: „Mein fabelhaftes Verbrechen“

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AUTOR/IN
Julia Haungs
Julia Haungs, Autorin  und Redakteurin, SWR Kultur

Eine Frau gesteht ein Verbrechen, das sie gar nicht begangen hat und wird daraufhin als feministische Aktivistin gefeiert. François Ozons leichtfüßige Krimikomödie erzählt im eleganten Gewand eines Films aus den 1930er Jahren von aktuellen Themen wie Sexismus, Misogynie und patriarchaler Unterdrückung. Ein Film, der gut aussieht und Spaß macht, findet SWR2 Filmkritikerin Julia Haungs.

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„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Madeleine Verdier ist jung, hübsch und als Schauspielerin leider völlig talentfrei. Als sie des Mordes an einem Theaterproduzenten beschuldigt wird, plädiert sie auf Notwehr. Dabei ist Madeline unschuldig. Bild in Detailansicht öffnen
„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Das Aufsehen rund um den Mordprozess beschert der vermeindlichen Mörderin Madeleine viel Aufsehen und eine Fülle an Rollenangeboten. Bild in Detailansicht öffnen
„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Die Geschichte gerät ins Wanken, als der Stummfilmstar Odette Chaumette (Isabelle Huppert, Mitte) auftaucht. Sie behauptet, Zeugin des Mordes zu sein und droht, die Wahrheit über den Tathergang zu enthüllen. Bild in Detailansicht öffnen
„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Anwältin Pauline (Rebecca Marder, links) schlägt der Zeugin einen Deal vor. Bild in Detailansicht öffnen
„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Doppeltes Spiel? Palmarède (Dany Boon) steht unter Tatverdacht, dabei liefert ihm Ermittlungsrichter Rabusset (Fabrice Luchini) selbst das Alibi. Bild in Detailansicht öffnen
„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Stecken sie unter einer Decke? Stummfilmdiva Odette und Fabrikant Bonnard (André Dussolier), der verzweifelt versucht, eine Verlobung zwischen seinem Sohn und Madeleine zu verhinden. Bild in Detailansicht öffnen
„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Nach „8 Frauen“ und „Das Schmuckstück“ stehen bei François Ozon (links) in „Mein fabelhaftes Verbrechen“ erneut Frauen in einer männerdominierten Welt im Fokus. Bild in Detailansicht öffnen

Verbrechen lohnt sich doch. Zu diesem Ergebnis kommen die mittellosen Freundinnen Pauline und Madeleine im Paris der 30er Jahre: die eine eine Anwältin ohne Mandanten, die andere eine Schauspielerin ohne Rollen. Nach einem Vorsprechen bei einem übergriffigen Filmproduzenten wird dieser kurz darauf erschossen aufgefunden. Madeleine gerät unter Mordverdacht. Obwohl er keine Beweise hat, ist der Untersuchungsrichter von der Schuld der schönen, jungen Frau überzeugt. Daraufhin gesteht Madeleine kurzentschlossen alles, was der Richter hören will.

„Mein fabelhaftes Verbrechen“ ist ein Plädoyer für Gleichberechtigung, eine Feier der weiblichen Solidarität. Und ein Film, der einfach Spaß macht!“

„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Nach „8 Frauen“ und „Das Schmuckstück“ ist „Mein fabelhaftes Verbrechen“ der dritte und letzte Teil in François Ozons (links) Trilogie über den Status von Frauen in einer männerdominierten Welt. Der neueste Film beruht auf dem Boulevardtheaterstück „Mon Crime“ von 1934.

Mord-Geständnis bringt Karriere-Durchbruch

Der theaterreife Auftritt der beiden Frauen vor Gericht führt nicht nur zu Madeleines Freispruch. Er wird für die Freundinnen auch der Karriere-Durchbruch: plötzlich sind sie Stars. Die Pariser Gesellschaft feiert sie als Befreierinnen aller Frauen.

Vorkämpferinnen gegen sexistische Filmbranche

Im Grunde sind sie Vorkämpferinnen der Metoo-Bewegung, die sich gegen eine sexistische Filmbranche wehren und gegen eine patriarchale Gesellschaft, in der Frauen weder das Wahlrecht haben noch ein eigenes Konto. 

„Mein fabelhaftes Verbrechen“ beruht lose auf der Boulevardkomödie „Mon Crime“ aus dem Jahr 1934. Ozon inszeniert seinen Film auch ganz im Stil eines solchen Stücks beziehungsweise einer alten Screwballcomedy: Es wird unfassbar viel geredet, die schnellen Dialoge sind witzig und nichts ist, wie es im ersten Moment scheint.

„Mein fabelhaftes Verbrechen“, Regie: François Ozon
Stecken sie unter einer Decke: Schauspielerin Odette und Fabrikant Bonnard (André Dussolier), der verzweifelt versucht, eine Verlobung zwischen seinem Sohn und Madeleine zu verhinden.

Isabelle Huppert glänzt als alternde Stummfilmdiva Odette Chaumette

Geradezu wahnwitzig wird die Handlung mit ihren immer neuen Twists ab dem Moment, in dem Isabelle Huppert als alternde Stummfilmdiva Odette Chaumette die Szene betritt. Sie behauptet gegenüber dem Untersuchungsrichter, in Wahrheit habe SIE den Produzenten ermordet. Jetzt wolle sie sich dafür gefälligst vor Gericht verantworten.

„Ich will das, was mir zusteht, was man mir gestohlen hat: einen krachenden Freispruch, gesellschaftliche Anerkennung und viel Geld! … dort gibt es nicht solche Pfeifen wie hier!“

Spielfreudiges Ensemble, schöne Bilder, elegante Kostüme

Es ist ein großes Vergnügen zuzusehen, wie Ozon das spielfreudige Ensemble aus Stars und Newcomern in Szene setzt. Dazu kommt die Schönheit der Bilder. Der Ästhet Ozon schwelgt in der Eleganz der Kostüme und der Ausstattung. Die Hülle der leichtfüßigen Krimikomödie füllt er dagegen mit Themen und Diskursen, die in ihrer Aktualität eigentlich gar nicht zum Lachen sind: in welchem Ausmaß Frauen nach wie vor als sexuelle Verfügungsmasse betrachtet werden und auch die misogynen Abwehrmechanismen, die greifen, wenn Frauen die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in Frage stellen.

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