Makroaufnahme einer Euromünze (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Julian Stratenschulte)

Übernahme kommunaler Kredite in RLP

So stark wird Ihre Kommune entschuldet

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Gernot Ludwig
Gernot Ludwig ist Autor bei SWR Aktuell Rheinland-Pfalz und landespolitischer Korrespondent (Foto: SWR)

Die Landesregierung plant, den Städten, Kreisen und Gemeinden in Rheinland-Pfalz einen Teil ihrer Kredite abzunehmen. Hier sehen Sie, wie stark Ihre Kommune davon profitiert.

Das Finanzministerium hat dem SWR Zahlen zur Verfügung gestellt, aus denen hervorgeht, wie sich die geplante Entschuldung auf alle rund 2.500 Kommunen in Rheinland-Pfalz auswirkt. Das heißt: Jeder kann jetzt sehen, ob sein Heimatort, seine Stadt oder Verbandsgemeinde entschuldet wird. Und wenn ja, in welchem Umfang.

Entschuldung des Heimatorts? Tabelle gibt den Überblick

Gräfendhron im Hunsrück mit seinen rund 100 Einwohnern ist die Kommune, die nach derzeitigen Berechnungen prozentual am stärksten vom geplanten Entschuldungsprogramm in Rheinland-Pfalz profitiert. Das Land plant, dem Dorf 93 Prozent der Kassenkredite abzunehmen.

Bei dem Entschuldungsprogramm geht es um die Übernahme von Kassenkrediten, also Krediten zur Finanzierung laufender Ausgaben - vergleichbar mit dem Dispo-Kredit bei Privatleuten. Diese Kredite werden auch Liquiditätskredite genannt. Insgesamt haben die Städte, Kreise und Gemeinden Kassenkredite von mehr als vier Milliarden Euro angehäuft. Das Land stellt insgesamt rund drei Milliarden Euro zur Verfügung, um sie zu entschulden.

Besonders Ortsgemeinden profitieren von der Entschuldung

Aus der jetzt vorliegenden Gesamtliste geht hervor, dass nach Gräfendhron Bad Bertrich nahe der Mosel prozentual betrachtet am meisten bekommt. In dem Kurort plant das Land, 92 Prozent der Kredite zu übernehmen. Anschließend folgen die Ortsgemeinden Frankenstein (Pfalz), Wolfstein (Kreis Kusel) und Bosenbach (Kreis Kusel) mit 90 Prozent.

Bezogen auf die prozentuale Entschuldung profitieren Ortsgemeinden am stärksten. Das hat zwei Gründe: Zum einen orientiert sich das Land an der Pro-Kopf-Verschuldung der Kommunen. Je höher also eine Kommune pro Einwohner verschuldet ist, desto mehr Kassenkredite nimmt ihnen das Land ab. Und da liegen viele Ortsgemeinden eben sehr hoch.

Zum anderen haben Ortsgemeinden weniger Möglichkeiten, Schulden aus eigener Kraft abzubauen. Deshalb greife ihnen das Land bei der Entschuldung stärker unter die Arme als etwa Städten und Kreisen, so der Gemeinde- und Städtebund.

Pfalz, Eifel und Hunsrück profitieren besonders

Schaut man sich die regionale Verteilung in der Gesamtliste an, fällt auf: Von den 30 Kommunen, die prozentual am stärksten von der Entschuldung profitieren, kommen die meisten aus der Pfalz (17), gefolgt von der Eifel (8) und dem Hunsrück (5).

Je mehr Schulden eine Kommune hat, desto mehr Schulden übernimmt das Land. Kommunen mit geringen Schulden werden nicht oder wenig entlastet. Ebenso Kommunen, die es selbst schaffen, ihre Schulden abzutragen, wie zum Beispiel die Stadt Mainz. Durch den wirtschaftlichen Erfolg von BioNTech hat die Stadt so hohe Gewerbesteuereinnahmen, dass sie es allein schafft, ihre Kredite zurückzuzahlen.

Pirmasens führt bei den Städten die Liste an

Bei den zwölf kreisfreien Städten profitiert Pirmasens am stärksten (84 Prozent). Die Stadt in der Pfalz ist seit Jahren die am höchsten verschuldete Deutschlands. Danach folgt die Stadt Kaiserslautern mit 76 Prozent und in Zweibrücken, der kleinsten kreisfreien Stadt Deutschlands, übernimmt das Land 72 Prozent der Kassenkredite.

Bei den 24 Kreisen ist Kusel größter Profiteur. Kusel ist seit Jahren der am höchsten verschuldete Landkreis Deutschlands. Das Land übernimmt dort nach der Modellrechnung 81 Prozent der Kredite, gefolgt vom Kreis Kaiserslautern mit 70 Prozent. Im Kreis Birkenfeld übernimmt das Land 69 Prozent der Kredite.

Unter den Verbandsgemeinden profitiert Thalfang am Erbeskopf am stärksten (85 Prozent). Danach folgen die Verbandsgemeinden Arzfeld und Birkenfeld mit einer geplanten Entschuldung von 70 beziehungsweise 62 Prozent.

Ludwigshafen bekommt fast 500 Millionen Euro

Schaut man sich die absoluten Zahlen an, profitieren große Städte am stärksten. So übernimmt das Land in der Stadt Ludwigshafen zwar "nur" 67 Prozent der Kredite. Das entspricht aber einem Betrag von fast 500 Millionen Euro - der höchste Wert aller Kommunen.

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Danach folgt die Stadt Kaiserslautern mit rund 430 Millionen Euro und Pirmasens mit rund 284 Millionen Euro. Von den insgesamt rund drei Milliarden Euro, mit denen das Land die Städte, Kreise und Gemeinden entschuldet, werden also mehr als eine Milliarde allein von den Städten Ludwigshafen, Kaiserslautern und Pirmasens aufgebraucht.

Zum Vergleich: Die 93 Prozent der Kassenkredite, die das Land dem Dorf Gräfendhron abnimmt, haben einen Wert von etwas mehr als 540.000 Euro.

Kurzfristig spüren Bürger die Entschuldung kaum

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) spricht angesichts der hohen Zahlen von einem historischen Schuldenschnitt und einem finanziellen Neustart für viele Kommunen. Der Städtetag dagegen warnt vor einer überzogenen Erwartungshaltung.

Tatsächlich entspannt die Entschuldung erst langfristig die klammen Haushalte der Kommunen. Denn die Übernahme der Schulden führt kurzfristig lediglich dazu, dass die Kommunen weniger Zinsen zahlen müssen.

Bessere Kreditkonditionen für Kommunen

Direkte Auswirkung jedoch: Die Kommunen erhalten bei ihren Banken bessere Konditionen für neue Kredite. Davon geht der Gemeinde- und Städtebund aus und betont, dass es beispielsweise um Kredite für die Sanierung von Straßen oder Brücken geht, nicht um die Aufnahme neuer Kassenkredite.

Eine erneute Verschuldung der Kommunen mit Kassenkrediten will die Landesregierung so gut es geht vermeiden. Zum einen, indem für jede Kommune ein Höchstbetrag festgelegt wird, bis zu dem sie sich verschulden kann. Zum anderen soll die Laufzeit dieser Kredite auf drei Jahre begrenzt werden. Bisher liefen die Kassenkredite oft Jahrzehnte.

Kommunen sollen Rückzahlung der Kredite nicht ständig in die Zukunft schieben

Bleibt die Frage, wie es mit den verbliebenen Kassenkrediten in den Kommunen weitergeht. Auch hier will das Land verhindern, dass die Städte, Kreise und Gemeinden die Kassenkredite immer wieder verlängern und damit die Rückzahlung in die Zukunft verschieben. Wie das Innenministerium mitteilt, ist vorgesehen, dass die Kommunen, die am Entschuldungsprogramm des Landes teilnehmen, die Kassenkredite innerhalb von 30 Jahren tilgen sollen.

Das Land hat angekündigt, den Gesetzentwurf für die geplante Entschuldung im Dezember in den Landtag einzubringen. Nach Einschätzung des Finanzministeriums könnte es frühestens im März verabschiedet werden. Bei Kommunen, die die Entschuldung dann schnell beantragen, könne die Schuldenübernahme schon nächsten Sommer beginnen, heißt es.

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