1.600 Menschen werden in Trier-Ehrang evakuiert (Foto: SWR)

Medien sind nicht informiert worden

Hochwasser Trier: Kritik an Landesregierung wegen Warnmeldungen, die "ins Leere" liefen

Stand

Das rheinland-pfälzische Innenministerium hat angekündigt, das landesweite Formular zu überarbeiten, über das Einsatzleiter im Katastrophenfall Warnungen an die Bevölkerung über die Medien in Auftrag geben. Dienstag war bekannt geworden, dass in der Hochwassernacht auch wegen dieses Formulars offenbar alle Warnmeldungen der Leitstelle Trier ins Leere gelaufen waren.

Das Problem in der Hochwassernacht in Trier: Die Meldesysteme waren nicht optimal aufeinander abgestimmt. So trug der Einsatzleiter in einem Formular ein, dass über regionale Medien gewarnt werden soll. Doch im Bundesweiten Warnsystem war etwa der SWR nicht als Regionalmedium eingeordnet und erhielt deshalb keine Meldung.

Formular missverständlich

Auf der Leitstelle hätte dafür ein zusätzliches Feld "landesweite Medien“ ausgewählt sein müssen – was nicht der Fall war. Das Innenministerium hat Dienstag mitgeteilt, dass dieses erste Meldeformular aktuell angepasst werde. Und alle Leitstellen in Rheinland-Pfalz bis dahin angewiesen seien, im bundesweiten System pauschal beide möglichen Felder – nämlich die Kategorien regionale Medien und landesweite Medien anzuwählen.

Warnmeldungen an Medien verschickt

Mit dem MoWaS-Meldesystem können Katastrophenschutz-Stellen in Kooperation mit dem "Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe" (BBK) Warnmeldungen absetzen, die über Medien und Warn-Apps verbreitet werden. Zehn solcher Warnmeldungen verschickte die Integrierte Leitstelle Trier in der Hochwassernacht zwischen 19:01 und 9:16 Uhr. In der ersten Meldung um 19:01 Uhr hieß es: "In den nächsten Stunden sind starke Regenfälle, schnell steigende Flusspegel und Unwetter zu erwarten. Es besteht Hochwassergefahr." In der Meldung außerdem enthalten: konkrete Handlungs- und Verhaltensanweisungen für die Bevölkerung.

Warnmeldung erreichte Medien nicht

Um 1:05 Uhr verschickte die Leitstelle Trier sogar eine Meldung der höchsten Warnstufe, bei der die Sender dazu aufgefordert sind, ihr Programm sofort zu unterbrechen. Darin hieß es: "Evakuierung des Seniorenheims Kordel und der angrenzenden überflutungsgefährdeten Häuser. Folgen Sie den Anweisungen der Einsatzkräfte, achten Sie auf weitere Meldungen."

Doch keine der insgesamt zehn verschickten Warnmeldungen erreichte regionale Medien - obwohl der Einsatzleiter, der die Meldungen bei der Leitstelle in Auftrag gab, davon ausgegangen sei.

"Aktualisierungbedarf" des Formulars

Tatsächlich sind diese Sender aber unter der Melde-Kategorie "landesweit" zusammengefasst, die im Meldeformular des Landes als eigene Kategorie überhaupt nicht aufgeführt ist und demzufolge von der Leitstelle nach Vorgabe des Einsatzleiters nicht angewählt wurde.

Das rheinland-pfälzische Innenministerium teilte dem SWR hierzu auf Nachfrage mit, dass das Meldeformular der Einsatzleiter von einer Arbeitsgruppe entwickelt worden sei, an der neben einzelnen Berufsfeuerwehren auch Vertreter des Ministeriums sowie der für den Katastrophenschutz zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) beteiligt gewesen seien. Vergangenen Juni sei das Ministerium durch eine Berufsfeuerwehr auf "einen möglichen Aktualisierungsbedarf des Meldeformulars" aufmerksam gemacht worden.

Katastrophenschutz-Experte sieht Land in der Pflicht

Der Hinweis betreffe auch die Änderung der Medienkategorien. "Unmittelbar nach diesem Hinweis wurde das BBK in diesem Zusammenhang gebeten, uns Informationen zu Meldeformularen der anderen Bundesländer oder ggf. einer bundesweiten Lösung zukommen zu lassen." Eine inhaltliche Rückmeldung stehe jedoch noch aus.

Katastrophenschutz-Experte Andreas Kling stellt im Gespräch mit dem SWR klar: Die Verantwortung dafür, dass der Bevölkerungsschutz funktioniere, liege per Gesetz beim Land. Insofern reiche es nicht aus, für die Korrektur eines internen Fehlers auf eine Rückmeldung aus dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu warten. "Die Meldewege in Rheinland-Pfalz kann nur Rheinland-Pfalz optimieren."

Weiteres Problem: Medien informiert, die nicht explizit aus der Region berichten

Ein weiteres Problem: Auch über die von der Leitstelle im Auftrag des Einsatzleiters ausgewählte Kategorie "regional/lokal" erreichte die Warnmeldung aus Trier die Bevölkerung nicht über die Medien. Denn zur Verfügung standen hier im vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bereitgestellten Warnsystem MoWaS offenbar nur der Radiosender Energy und die Verlagsgruppe Madsack - beide Medienhäuser wurden somit zwar von der Leitstelle benachrichtigt, berichten aber nicht explizit aus der Region Trier. All diese Umstände führten nach Auskunft der Kreisverwaltung dazu, dass die Warnmeldungen der Trierer Leitstelle im Ergebnis "ins Leere" liefen.

Fehler im System erst durch Nachbereitung aufgefallen

Die Kreisverwaltung Trier-Saarburg teilt dem SWR zur gescheiterten Warnung der Bevölkerung in der Katastrophennacht mit, erst durch die interne Nachbereitung des Einsatzes sei aufgefallen, dass die Warnmeldungen ins Leere gelaufen seien. Es sei nun "notwendig, die Dinge zeitnah aufzuarbeiten". Bis geklärt sei, ob das landesweite Meldeformular der Einsatzleiter angepasst werde oder im MoWaS-System lokale Medien wie der SWR der Kategorie "regional/lokal“ hinzugefügt würden, gelte für Trier nun die Anweisung, "grundsätzlich alle Warnungen auch landesweit zu versenden."

Warnungen in NRW funktionierten

Tatsächlich funktionierte das Versenden der Warnmeldungen im ebenfalls vom Hochwasser stark betroffenen Nachbarland Nordrhein-Westfalen entscheidend besser – hier wählten die Verantwortlichen beim Versenden der Meldung auch die Kategorie "landesweit", wodurch der WDR die entsprechenden Warnmeldungen erhielt. Auch der SWR erhielt in der Nacht auf 15. Juli einige der Warnmeldungen aus NRW, nicht aber eine einzige aus Rheinland-Pfalz.

Landkreis Ahrweiler verschickte keine MoWaS-Meldung

In diesem Zusammenhang wird jetzt auch aufgearbeitet werden müssen, warum der Landkreis Ahrweiler, in dem mindestens 140 Menschen starben, nicht eine einzige Warnmeldung über das hierfür vorgesehene BBK-System MoWaS verschickte. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat in Zusammenhang mit der Unwetterkatastrophe im Ahrtal Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassung aufgenommen.

Bad Neuenahr-Ahrweiler

Flutkatastrophe im Ahrtal Kreis Ahrweiler verschickte keine Warnmeldungen

Der Kreis Ahrweiler hat in der Hochwassernacht keine Warnmeldungen an ein spezielles Meldesystem des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geschickt. Das haben SWR-Recherchen ergeben.

Erste Vorermittlungen haben nach Auskunft der Staatsanwaltschaft "tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass am 14.07.2021 spätestens ab etwa 20:30 Uhr Gefahrenwarnungen und möglicherweise auch die Evakuierung von Bewohnern des Ahrtals, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der Flutwelle betroffen waren, geboten gewesen wären." Sie ermittle daher gegen den zuständigen Landrat des Kreises Ahrweiler sowie ein weiteres Mitglied des Krisenstabs.

Katastrophenschutz-Experte Kling sagt zu den nicht bei den Medien angekommenen Warnungen, man habe in Rheinland-Pfalz den Katastrophenschutz offenbar zu viele Jahre auf die leichte Schulter genommen und ein solches Szenario nicht ausreichend geübt. "Hier muss das Gefahren- und Risikobewusstsein gefehlt haben."

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SWR