"Das war schon ein Schlag. Das hat uns den Boden unter den Füßen weggerissen." So erinnert sich Gesundheits- und Krankenpflegerin Veronika Falk (Name von der Redaktion geändert) an die Ankündigung ihres Arbeitgebers, ihre Arbeitsstelle dicht zu machen.
Anfang Februar hatte die Marienhaus-Gruppe überraschend angekündigt, die Innere Medizin am Krankenhaus Gerolstein zum 1. April zu schließen. Für die Mitarbeitenden kam das völlig überraschend, sagt Falk. Zumal sie so nur sechs Wochen im Voraus informiert wurden.
Schließung der Inneren Medizin Gerolstein gefährdet Notversorgung "Man zieht im Gesundheitssystem einen Stecker und das hat Folgen"
Die Abteilung für Innere Medizin am Krankenhaus Gerolstein schließt, die Patienten könnten anders gut versorgt werden, so die Betreiberin. Doch was ist mit dem Rettungdienst?
Zeit, sich nach etwas Neuem umzusehen, bleibt da kaum für Falk. Die Marienhaus-Gruppe ist sich sicher, alle 76 betroffenen Mitarbeitenden anderweitig unterzubringen.
Man habe dazu Gespräche geführt, um die individuellen Wünsche des Personals zu erfahren, sagte eine Sprecherin dem SWR: "Darauf aufbauend können wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine weitere Beschäftigung in den Standorten Gerolstein, Bitburg oder auch anderen Standorten der Marienhaus-Gruppe anbieten."
Andere Krankenhaus-Standorte keine wirkliche Option
"Das war ein Gespräch, das meiner Meinung nach keinen Mehrwert hatte", sagt Veronika Falk dazu. Sie hat vor allem internistisch, auf der Intensivstation und in der Endoskopie gearbeitet. Dann in die Psychiatrie zu wechseln, die am Krankenhaus Gerolstein erhalten bleibt, sei nicht sinnvoll: "Wir haben alle wenig Ahnung von Psychiatrie."
Auch, künftig am Krankenhaus in Bitburg zu arbeiten, sei nicht nur wegen der längeren Fahrtzeit keine Option: "Das Klima da ist nicht so gut wie bei uns in Gerolstein. Wir haben hier ein total familiäres Verhältnis mit allen. Sei es mit den Menschen von der Pforte, vom Labor, vom Röntgen. Da wird ja eigentlich auch eine Familie kaputt gemacht."
Angst um medizinische Versorgung der Gerolsteiner
Das Schicksal der Mitarbeitenden ist die eine Sache. Aber auch Patientinnen und Patienten der Inneren Abteilung werden zukünftig weiter zum Krankenhaus fahren müssen. Und das, wo in der Inneren Medizin meistens ältere Menschen behandelt werden, sagt Falk: "Das ist dann die Frau Meier oder Frau Müller, die letzte Woche zu wenig getrunken hat, und die bei uns aufgepäppelt werden muss."
Das macht auch Gerolsteins Stadtbürgermeister Uwe Schneider (SPD) Sorgen: "Die Stadt hat 7.700 Einwohner, die Verbandsgemeinde rund 30.000. Unsere Grundversorgung für diese Menschen vor Ort wird stark eingeschränkt." Denn vor allem die ältere Bevölkerung könne jetzt nicht mehr eine Stadtfahrt mit dem Taxi zum Krankenhaus machen. Die nächste Klinik liege schließlich 30 Minuten entfernt.
Ohne voll ausgestattetes Krankenhaus ist die Region auch nicht mehr so lebenswert, findet Schneider. Neben großen Arbeitgebern, Wohnfläche, Schulen und Kitas müsse man als Mittelzentrum schließlich auch ein gut gehendes Krankenhaus vorhalten: "Vor allem die jungen Familien, die nach Gerolstein ziehen, schauen genau: Ist meine gesundheitliche Versorgung gewährleistet?"
Vorwurf: Marienhaus-Gruppe sei selbst schuld an Problemen
Die Begründung der Marienhaus-Gruppe, dass dem Krankenhaus Gerolstein die Patientinnen und Patienten wegbleiben, wollen weder Krankenschwester Falk noch Bürgermeister Schneider akzeptieren. Das sei ein hausgemachtes Problem.
"Als 2020 die Chirurgie geschlossen hat, sind viele meiner Kollegen weggegangen, weil man sich mit dem Arbeitgeber nicht mehr identifiziert hat. Natürlich, wenn das Personal weggeht, kann ich nicht mehr alle Betten belegen", erzählt Falk.
Die Marienhaus-Gruppe schreibt in ihrer Begründung für die Schließung, mit Beginn der Corona-Pandemie seien die Leistungen in der Somatik in Gerolstein zurückgegangen. Dazu sagt Falk: "2020 hatten wir so viele Patienten. Wir waren voll belegt. Wir haben uns kaputt gearbeitet in dieser Pandemie. Das waren acht Stunden in Vollschutzanzügen, ohne Pause, ohne Essen, ohne Trinken."
Geriatrie künftig in Bad Neuenahr-Ahrweiler St. Josef-Krankenhaus Adenau wird geschlossen
Das St. Josef-Krankenhaus in Adenau wird Ende März 2023 geschlossen. Das hat der Träger, die Marienhaus-Gruppe mit Sitz in Waldbreitbach, mitgeteilt.
Auch Bürgermeister Schneider sieht den Fehler bei der Marienhaus-Gruppe. Nachdem der Oberarzt der Inneren nach Daun gewechselt war, habe die GmbH eine Lösung gefunden, dass ein Arzt aus Bitburg zweimal pro Woche in Gerolstein war. Schneiders Ansicht nach hätte man die freie Stelle aber ganz neu besetzen müssen: "Ich bin überzeugt, dass das auch wieder mehr Patienten gebracht hätte."
Sorge vor weiterem Abbau in Gerolstein
Ein weiteres Problem ist, findet Falk, dass von der Schließung nicht nur die Innere Abteilung betroffen ist. Sondern auch das Labor, die Endoskopie, die Intensivstation und die Dialyse, die auf kurzem Weg die internistischen Ärzte brauche: "Da hängt ja ein Rattenschwanz dran. Was ist mit den Röntgengeräten? Werden die verkauft oder können die weiter genutzt werden?"
Rettungsdienste weiter überlastet So lange dauert es, bis der Rettungsdienst kommt
Wer im medizinischen Notfall den Notruf 112 wählt, rechnet mit schneller Hilfe vom Rettungsdienst. Die SWR-Datenanalyse zeigt, wie lange es bei Ihnen dauert, bis Hilfe kommt.
Auch der ohnehin schon belastete Rettungsdienst müsse zukünftig länger fahren, wenn er das Krankenhaus Gerolstein nicht mehr anfahren könne. Deshalb hat auch der Verbandsgemeinderat von Gerolstein eine Resolution zum Krankenhaus Gerolstein verabschiedet.
Darin fordern die Ratsmitglieder das Land Rheinland-Pfalz auf, sich dafür einzusetzen, das Krankenhaus Gerolstein in seiner jetzigen Form zu erhalten. Man glaube nicht, dass - wie von der Marienhaus GmbH behauptet - die anderen Krankenhäuser ringsum die Versorgung sicherstellen können. Die kämpften bereits jetzt mit überfüllten Ambulanzen, fehlendem Personal und langen Wartezeiten.
Mit der Schließung der Inneren Medizin in Gerolstein würden die Menschen aus der Gegend zu "Patienten zweiter Klasse", heißt es in der Resolution. Nun ist es am Land und der Marienhaus-Gruppe, zu reagieren. "Aber letzten Endes fühlt sich das fast wie ein Kampf gegen Windmühlen wie bei Don Quichote an", sagt Gerolsteins Bürgermeister Schneider.