Im Morbacher Rathaus hatte man sich auf die große Feier für einen berühmten Sohn der Stadt vorbereitet. Die Spitzen der deutschen und rheinland-pfälzischen Politik haben den langjährigen Bundestagsabgeordneten Jakob Maria Mierscheid geehrt.
Grußworte haben unter anderem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, ihr Vorgänger Norbert Lammert sowie Ministerpräsidentin Malu Dreyer übermittelt.
Auch der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hatte sich ursprünglich zur Festveranstaltung in Mierscheids Heimatgemeinde angekündigt, musste aber wegen einer starken Erkältung absagen.
Mierscheid ist das Phantom des Deutschen Bundestages
Seit 1979 ist der Name des Schneidermeisters aus Morbach unter den Mitgliedern der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag zu lesen. Mehr bekommt man von Mierscheid in der Regel aber nicht zu sehen. Spötter nennen ihn deswegen, das Phantom des Deutschen Bundestages.
Er selbst bezeichnet sich in den seltenen Interviews als Phänomen. Denn Mierscheid drückt als fleißiger Hinterbänkler der deutschen Politik immer wieder seinen Stempel auf, getreu seinem Selbstverständnis: Ich bin weder eine Erfindung, noch ein Patent, ich bin die Lösung.
Die Schwerpunkte seiner politischen Arbeit sind neben allgemeinen Sozialfragen und Problemen der Berufsausbildung vor allem die Aufzucht und Pflege der geringelten Haubentaube in Mitteleuropa und anderswo sowie Untersuchungen des Nord-Süd-Gefälles in Deutschland.
Brücke über die Spree nach Mierscheid benannt
Zu den Verdiensten des vierfachen Vaters und leidenschaftlichen Chorsängers zählt unter anderem das sogenannte "Mierscheid-Gesetz", mit dem sich das Abschneiden der SPD bei Bundestagswahlen anhand der Rohstahlproduktion in den alten Bundesländern vorhersagen lassen soll: Je höher die Produktion, desto besser das SPD-Ergebnis.
So viele Verdienste schreien nach einer Ehrung - eine Brücke auf dem Gelände des Deutschen Bundestages trägt seinen Namen.
Für die Trierer SPD-Abgeordnete Verena Hubertz ist Mierscheid eine Institution im Berliner Politikbetrieb. In ihren ersten Tagen als Abgeordnete habe Mierscheid sie an die Hand genommen und ihr direkt wertvolle Tipps gegeben. Sein Credo: Abgeordnete sollen erstmal auf dem Boden bleiben. Es komme auf den Inhalt an, nicht auf das Aussehen.
Große Verdienste um den Hunsrück
Für seine Heimat, den Hunsrück, habe Jakob Mierschied auch viel getan, weiß der Morbacher Bürgermeister Andreas Hackethal. Zwar sind persönliche Begegnungen mit Mierscheid rar, trotzdem genieße der SPD-Politiker Kultstatus in Morbach. "Mierscheid ist kein typischer Politiker, der sich immer nur in den Vordergrund drängt. Der setzt sich lieber für Menschen und die Sache ein."
Traumschleife ist Mierscheid gewidmet
Viele haben den unermüdlichen Einsatz des bekennenden Hinterbänklers für die Vergabe der Olympischen Winterspiele in den Hunsrück nicht vergessen. Als geradezu visionär wird sein Engagement für ein U-Bahn-Netz in Morbach gesehen.
Aus Dankbarkeit hatte Morbach dem vierfachen Vater zum 80. Geburtstag einen Wanderweg gewidmet. Auf dem elf Kilometer langen Rundweg werden die wichtigsten Stationen und Projekte aus Mierscheids angeblichem Leben präsentiert.
Mierscheid im Auftrag von Kanzler Scholz in Brüssel
Der scheue Mierscheid hat die Gala zu seinem 90. Geburtstag offenbar nicht mit seiner Anwesenheit beehrt. Es hieß, er sei kurz per Telefon zugeschaltet worden. Wie das Bundeskanzeramt mitteilte, weilt der SPD-Politiker diese Woche, auf persönlichen Wunsch von Bundeskanzler Scholz zu Gesprächen mit der EU in Brüssel.
Als vierfacher Vater besitze Mierscheid viel Sachkompetenz bei Fragen rund um das geplante EU-Zeugungsverweigerungsrecht, heißt es aus Berlin. Bürgermeister Hackethal hat es auf jeden Fall nicht gewundert, dass Mierscheid, wie in all den Jahren zuvor, durch Abwesesenheit glänzte.