Virtuelle Ansicht der Synagoge von innen, mit Toraschrein und Bima. (Foto: Arbeitskreis jüdisches Bingen)

Gedenken mit virtuellem Rundgang

85 Jahre Reichspogromnacht: Blick in zerstörte Binger Synagoge

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AUTOR/IN
Rabea Amri

In der Reichspogromnacht 1938 wurde auch die Synagoge in Bingen niedergebrannt. Am Gedenktag ist in diesem Jahr ein Rundgang durch die frühere Synagoge möglich - mit VR-Brille.

"Herzlich Willkommen in der Binger Synagoge in der Rochusstraße." So erklingt es aus dem Lautsprecher der VR-Brille - eine Brille, die eine virtuelle Realität zeigt. In diesem Fall: Eine Synagoge, die es schon seit 85 Jahren nicht mehr gibt. Nur noch ein kleiner Teil ist nach der Reichspogromnacht stehengeblieben, nachdem die Nationalsozialisten und deren Anhänger das jüdische Gotteshaus in Bingen angezündet hatten. In dem Teil, der verschont wurde, befindet sich nun ein Erinnerungs- und Begegnungszentrum.

Virtueller Rundgang macht Binger Synagoge erlebbar

Mit der VR-Brille auf der Nase fühlt es sich nun so an, als wäre die Synagoge nie abgebrannt. "Sie sitzen auf einer der Bänke im Erdgeschoss," erklingt es aus der Brille. Hermann-Josef Gundlach und Klaus Leitsch vom Arbeitskreis Jüdisches Bingen sind total begeistert, als sie die Brille zum ersten Mal testen.

Ein Mann trägt eine VR-Brille und hebt den Kopf. (Foto: SWR)
Klaus Leitsch vom Arbeitskreis jüdisches Bingen testet die VR-Brille.

"Es ist ein sagenhaftes Erlebnis. Wenn man unten steht, will man sich schon in die Bank reinsetzen. Es fühlt sich an, als wäre man in der Synagoge drin."

Den virtuellen Rundgang kann am 9. November jeder erleben, der am Abend zur Gedenkveranstaltung nach Bingen kommt. Vor der ehemaligen Binger Synagoge werden zunächst Gebete verlesen. Schülerinnen und Schüler der Rochus-Realschule berichten aus dem Leben eines Binger Juden. An die Wand der Synagoge werden Bilder projiziert. Die Veranstaltung soll nicht nur an die grausamen Geschehnisse der Reichspogromnacht erinnern, betont Hermann-Josef Gundlach, sondern auch an die aktuellen Entwicklungen in Israel und Gaza.

Ein dreistöckiges Gebäude in der Binger Rochusstraße. (Foto: SWR)
Von der ehemaligen Binger Synagoge steht nur noch ein kleiner Teil.

Gedenken an Reichspogromnacht mit Polizeipräsenz

Nicht nur in Bingen wird der Opfer der Reichspogromnacht gedacht, auch in Worms, Alzey, Bad Kreuznach oder Wiesbaden. An der Neuen Synagoge in Mainz findet die zentrale Gedenkveranstaltung mit viel Politprominenz statt. Währenddessen wird mehr Polizei als üblicherweise vor Ort sein. Aktuell gebe es jedoch "keine konkreten gefährdungsrelevanten Infos", so ein Sprecher der Mainzer Polizei. Auch die Gedenkveranstaltung in Bingen wird von Einsatzkräften der Polizei begleitet.

VR-Brillen machen Geschichte erlebbar

"Und jetzt schauen Sie hoch, in das mächtige Tonnengewölbe", erklingt die Frauenstimme aus der VR-Brille. "Tonnengewölbe und Emporen bildeten einen starken Kontrast zu den hellen Putzflächen." Die virtuelle Tour ist wie eine dreieinhalbminütige Führung durch die Binger Synagoge, mit vielen Eindrücken und Informationen.

Im Erinnerungs- und Begegnungszentrum steht außerdem eine Nachbildung der Synagoge aus Holz. Historische Fotos von der Deportation der Binger Juden geben Besucherinnen und Besuchern einen beklemmenden Eindruck von den Ereignissen damals.

Ein Mann mit Schild um den Hals zieht eine Karre, die mit Koffern beladen ist, eine Frau hält die Koffer fest. (Foto: Arbeitskreis jüdisches Bingen)
Juden und Jüdinnen aus Bingen bei ihrer Deportation 1942.

Wichtiges Erinnern an eine schreckliche Zeit

"Wir haben momentan wieder sehr viele antisemitische Übergriffe. Das darf nicht sein," betont der Vorsitzende des Arbeitskreises jüdisches Bingen, Hermann-Josef Gundlach. Damit sich Szenen wie damals vor 85 Jahren niemals wiederholen, sei es so wichtig, an die schlimmen Ereignisse zu erinnern, sagt Gundlach. Die Einblicke durch die VR-Brille in die Synagoge von früher tragen eindrucksvoll dazu bei. "Mit einem Blick von der Westempore endet der virtuelle Besuch in der Binger Synagoge."

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