Seit 2012 sammelt die Stadt Mainz im Rahmen einer Zweckvereinbarung den Müll im Kreis Mainz-Bingen ein. Der Kreis überweist der Stadt dafür Geld. Allerdings sieht eine Änderung im Steuerrecht nun vor, dass für den Kreis auf diese Zahlungen künftig 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden - das sind etwa eine Million Euro Mehrkosten. Diese müssten dann auf die Gebührenzahlerinnen und -zahler umgelegt werden. Deswegen will der Kreis Mainz-Bingen seine Abfallentsorgung neu regeln.
Müll-Zusammenarbeit mit Mainz sollte weitergehen
Vorgesehen war eigentlich, dass die Stadt Mainz und die Kreisverwaltung Mainz-Bingen gemeinsam eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) gründen, die die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bereich der Entsorgung aus Stadt und Landkreis samt deren Aufgaben übernehmen soll - laut Stadt etwa 480 Beschäftigte. Mit diesem Modell könnte die Mehrwertsteuerpflicht umgangen werden.
Widerstand aus den Fraktionen im Kreistag Mainz-Bingen
Ende Juni haben Stadt und Landkreis deswegen einen gemeinsamen sogenannten "Letter of Intend" unterschrieben, in dem sie bekräftigen, diesen Weg gemeinsam gehen zu wollen. Doch aus manchen Fraktionen des Kreistags werden nun Stimmen laut, die sich doch für einen anderen Weg aussprechen.
"Wie sich die Sachlage darstellt, sehe ich keine Anstalt des öffentlichen Rechts", sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Oliver Wernersbach dem SWR. Er macht gleichzeitig deutlich, dass es sich dabei um seine persönliche Einschätzung handelt und nicht um die seiner Partei. Seine Bedenken: "Viele Fakten aus dem Personalbereich sind bislang unklar. So liegt noch kein Überleitungstarifvertrag für die Mitarbeiter vor. Das heißt, sie haben noch gar keine Grundlage, um zu entscheiden, ob sie in die AöR wechseln möchten." Das berge ein gewisses Risiko. Lehnten die Mitarbeiter einen Wechsel ab, stünden für den Start der Anstalt möglicherweise zu wenige von ihnen zur Verfügung.
AfD will öffentliche Ausschreibung
Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Landkreis die Aufgaben der Müllentsorgung öffentlich ausschreibt – mit der Folge, dass den Zuschlag wahrscheinlich ein Privatanbieter bekommt. Für diesen Weg spricht sich die AfD aus. "Die Kostenschätzungen sind ein weiterer wichtiger Punkt für uns. Nach den uns vorliegenden Zahlen könnte eine AöR wesentlich teurer als eine Vergabe an einen Dienstleister werden", argumentiert AfD-Fraktionsmitglied Carsten Propp.
90 Arbeitsplätze in Mainz in Gefahr
Für die Stadt Mainz hätte dieser Schritt spürbare Konsequenzen. Sie schätzt, dass sie in diesem Fall 90 Arbeitsplätze im Bereich der Müllentsorgung streichen muss. Außerdem würden Synergieeffekte wegfallen, was die Kosten für die Abfallentsorgung in der Stadt um bis zu 1,8 Millionen Euro jährlich in die Höhe schraube. Ein Teil davon würde über die Müllgebühren an die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt weitergegeben werden müssen, heißt es.
Auch Andrea Müller-Bohn, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, sieht unterschiedliche Tendenzen über die Parteien hinweg. Sie würde es begrüßen, wenn die Müllentsorgung in öffentlicher Hand bliebe: "Natürlich haben wir auch die Personalfrage und die Finanzen im Blick. Aber uns ist es wichtig, eine Sicherheit zu bieten. Der Müll soll auch weiterhin zuverlässig abtransportiert werden." Eine Anstalt öffentlichen Rechts könne diese Sicherheit bieten. Sie bedeute auch für die Mitarbeiter und ihren Arbeitsplatz eine Sicherheit.
Sondersitzung zur Abfallentsorgung angesetzt
Viel Zeit für die Entscheidung bleibt dem Kreistag nicht: Will der Landkreis die Müllentsorgung ausschreiben, muss er das bis Ende September auf den Weg bringen. Schließlich muss die neue Struktur – egal ob über die AöR oder einen Privatanbieter – Anfang 2024 stehen. Am 28. September trifft sich der Werksausschuss des Kreistags, um über eine öffentliche Ausschreibung zu diskutieren und eine Beschlussempfehlung für den Kreistag zu formulieren.
Der Mainzer Stadtrat hat in einem Grundsatzbeschluss bereits der Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts zugestimmt.