SWR3 Report Ahrtal: Leben nach der Flut (Foto: SWR3, Ferdinand Vögele)

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Juli 2021

"Wir Menschen im Ahrtal brauchen eine Perspektive, um zu bleiben"

Stand

Zehn Tage vor dem Jahrestag der Flutkatastrophe mit 135 Toten in Rheinland-Pfalz haben rund 130 Betroffene und Beteiligte des Wiederaufbaus auf dem Nürburgring Bilanz gezogen.

"Trauer und Leid werden wir nicht vergessen und richten gleichzeitig unseren Blick nach vorne", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Montag bei der Diskussionsveranstaltung zum Stand des Wiederaufbaus laut Mitteilung.

Regierung stellt bereits erfolgte Maßnahmen in den Fokus

Mit "einem historischen Hilfspaket" haben Bund und Länder 15 Milliarden Euro allein für Rheinland-Pfalz für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt, so die Ministerpräsidentin. Mehr als eine halbe Milliarde Euro wurde laut Staatskanzlei bisher an Privatpersonen und Unternehmen bewilligt.

Die sieben betroffenen Kreise und die Stadt Trier hätten zusammen mehr als 4.500 Einzelmaßnahmen für den Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur angemeldet, davon 2.600 im Ahrtal. Für den kommunalen Wiederaufbau seien rund vier Milliarden Euro vorgesehen, davon 3,8 Milliarden Euro für den Kreis Ahrweiler.

Flutgeschädigte sehen die Verantwortlichen in der Pflicht

In mehreren Diskussionsrunden soll der Stand des Wiederaufbaus aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Die Anträge für staatliche Hilfszahlungen sind kompliziert - das Geld fließt oft erst nach etlichen Monaten. Gutachter und Handwerker sind häufig ausgebucht. Baumaterial ist oft nicht gleich zu bekommen. Viele Flutopfer wohnen daher immer noch in Ausweichquartieren.

"Wir Menschen im Ahrtal brauchen eine Perspektive, um zu bleiben."

"Wir Menschen im Ahrtal brauchen eine Perspektive, um zu bleiben. Das bedeutet Wohnraum, Arbeit und Sozialgefüge", sagte Missy Motown, Geschäftsführerin des Helfer-Stabs. Bei der Hilfestellung für Betroffene dürfe keiner dieser Bereiche außer Acht gelassen werden. Ziel müsse sein, den Menschen schnellstmöglich Wege zu ebnen, um wieder selbstbestimmt und unabhängig ihr Leben führen zu können. Und auch Rolf Schmitt, Flutbetroffener aus Marienthal, sagt in Richtung der Verantwortlichen: "Wir hoffen, dass die Behörden und Organisationen ihre Lehren aus dieser Flut ziehen werden, und dies dabei hilft, zukünftige Katastrophen besser zu meistern."

Etwa 200 Flutbetroffene hatten am Wochenende in Mainz demonstriert. Ihr Protest richtete sich vor allem gegen die aus ihrer Sicht zu langsame Auszahlung der Fördergelder aus dem Wiederaufbaufonds.

Klimaschutz und Trauma-Verarbeitung die wichtigsten Themen

"Die Verarbeitung der verheerenden Hochwasserkatastrophe, aber auch der umfassende Wiederaufbau wird noch Jahre in Anspruch nehmen", sagte Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne). "Die Menschen im Ahrtal brauchen Sicherheit und Lebensqualität. Das ist unsere allererste Verpflichtung." Für die beabsichtigte "zukunftsfähige und klimaangepasste Entwicklung des Ahrtals" und der anderen von der Naturkatastrophe betroffenen Gebiete sei die Wissenschaft eingebunden worden, sagte Dreyer. "Zum Wiederaufbau gehört auch, die seelischen Wunden zu lindern. Insbesondere das Traumahilfezentrum, das seit November 2021 als direkte Anlaufstelle Hilfe und Unterstützung bietet, leistet dabei wertvolle und direkte Hilfe vor Ort."

Diskussionsrunde anlässlich des ersten Jahrestags am 14./15. Juli

Der erste Jahrestag der Sturzflut mit 134 Todesopfern alleine im nahen Ahrtal werde ein Tag des Gedenkens sein, teilte die Staatskanzlei in Mainz im Vorfeld der Veranstaltung mit. "Er soll aber auch die Gelegenheit bieten, über die bisherigen Entwicklungen und aktuellen Herausforderungen rund um den Wiederaufbau zu sprechen."

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