Tausende Menschen demonstrierten

Wieder Demos gegen Rechtsextremismus im Norden von RLP

Stand

Am Wochenende haben Menschen auch im nördlichen Rheinland-Pfalz wieder ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie gesetzt. Gleichzeitig wurde in verschiedenen Veranstaltungen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert.

Am vergangenen Wochenende haben über eine Million Menschen bundesweit gegen Rechtsextremismus protestiert, etwa in Koblenz. Auch an diesem Wochenende gab es wieder einige Demonstrationen und Kundgebungen im Norden von Rheinland-Pfalz, an denen tausende von Menschen teilgenommen haben. Auslöser der Proteste sind Recherchen von Correctiv über ein geheimes Treffen von Rechtsextremen in Potsdam.

Demonstrationen in Boppard, Ahrweiler und Cochem

In Boppard haben am Sonntag nach Polizeiangaben etwa 450 Menschen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt und demonstriert. In Ahrweiler startete ein Protestzug unter dem Motto "SolidAHRität für unsere Demokratie!", zu dem laut Polizei etwa 4.500 Teilnehmende kamen. Der Veranstalter hatte nur mit einigen Hundert gerechnet. Auch in Cochem kamen zur angemeldeten Großkundgebung "Aufstehen für die Demokratie" deutlich mehr Teilnehmende als erwartet. Laut Polizei waren es etwa 800 Menschen, statt der erwarteten 60. Alle Kundgebungen seien friedlich und reibungslos verlaufen.

Koblenz

"Für die Demokratie - Gegen den Faschismus" 5.000 Teilnehmer bei Kundgebung gegen rechts in Koblenz

Etwa 5.000 Menschen haben am Samstag in Koblenz gegen Rechtsextremismus demonstriert. Das Motto lautete "Für die Demokratie - Gegen den Faschismus". Ein Bündnis mehrerer Parteien hatte zu dem Protest aufgerufen.

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR RP

Demos am Samstag in Mayen, Bad Breisig und Zell

In Mayen hatte ein breites Parteienbündnis bereits am Samstag zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz aufgerufen. Ab 11 Uhr wurde dort unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt! Gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte" protestiert. Auch in Bad Breisig und in Zell an der Mosel trafen sich Menschen zu einer Demo für die Demokratie.

Viele fragen sich: Wiederholt sich die Geschichte?

Viele Menschen auch im Norden von Rheinland-Pfalz haben Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Gerade der Holocaust-Gedenktag zeigt, wie wichtig es ist, für Demokratie und Toleranz und gegen Rechtsextremismus einzustehen: Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Deshalb wird an diesem Tag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.

Gedenkmarsch in Andernach erinnert an Opfer des Nationalsozialismus

Der rheinland-pfälzische Landtag erinnert 2024 besonders an die Menschen, die als "Asoziale" und "Berufsverbrecher" verfolgt wurden. Bei der zentralen Gedenkveranstaltung in Mainz zeichnete ein Schülerprojekt aus Montabaur die Lebensläufe von Verfolgten aus dem Westerwald nach. In der Region erinnerten zudem verschiedene Veranstaltungen an die Opfer der NS-Zeit.

So wurde etwa in Andernach am Samstagnachmittag zu einem Gedenkmarsch anlässlich des 79. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz aufgerufen. Initiator war der Gründer der Initiative Pulse of Europe Koblenz.

Gedenkveranstaltungen in Lahnstein und Andernach

Am Sonntag hatte das evangelische Dekanat Nassauer Land zu einem ökumenischen Gottesdienst in die Friedenskirche im Lahnsteiner Stadtteil Friedrichssegen im Rhein-Lahn-Kreis eingeladen. Dort wurde an die Millionen jüdischer Menschen erinnert, die während des Nationalsozialismus ermordet wurden.

In der Aula des Werner-Heisenberg-Gymnasiums in Neuwied fand am Sonntag ein ganz besonderes Konzert statt. Joram Bejarano und Kutlu Yurtseven von der HipHop-Band Microphone Mafia lösten damit ein Versprechen ein, dass sie der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano gegeben haben, die im Sommer 2021 starb. Zusammen mit ihrem Sohn Joram und den Rappern von der Band Microphone Mafia hatte Esther Bejarano in den letzten Jahrzehnten gegen Antisemitismus, Rassismus und Faschismus gekämpft. Das wird nun von den beiden fortgeführt.

In der Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach wird am Montag, dem 29. Januar, an die mehr als 1.400 Patientinnen und Patienten erinnert, die während des NS-Euthanasie-Programms von der Andernacher Klinik aus zur Ermordung unter anderem nach Hadamar bei Limburg gebracht wurden.

Autorin liest in Andernach, Koblenz zeigt Film über Holocaust-Überlebenden

"Mein Großvater hätte mich erschossen" - so heißt das Buch von Jennifer Teege, das sie über ihren Opa Amon Göth geschrieben hat: Er war unter anderem als Kommandant eines Konzentrationslagers bei Krakau in Polen für den Tod tausender Menschen verantwortlich. Seine Enkelin hat einen Vater, der aus Nigeria in Afrika stammt. Am 30. Januar kommt die Autorin zu einer Lesung nach Andernach.

In Koblenz wird am 4. Februar ein Dokumentarfilm über Werner Appel gezeigt. Er hatte einen jüdischen Vater und überlebte den Holocaust. In dem Film nimmt er den Zuschauer mit in das Koblenz seiner Kindheit. Und in der Citykirche in Koblenz läuft noch bis zum 9. Februar eine Ausstellung über junge Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden.

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Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Eine Million gegen rechts: Wie macht man Antifaschismus nachhaltig?

Die Bilder aus München, Berlin, Frankfurt, Hamburg, Leipzig, Bonn, Köln, Erfurt und vielen, vielen anderen Städten waren beeindruckend. Nach den Enthüllungen um rechte Deportationspläne war das Erschrecken in breiten Teilen der Bevölkerung so groß, dass mehr als eine Million Menschen spontan auf die Straße gegangen sind. Was wird davon bleiben, wenn die erste Welle der Demonstrationen abgeflaut ist?

Der Journalist und Autor Mohamed Amjahid ist skeptisch: “Für deutsche Verhältnisse ist es erstaunlich, dass überhaupt so viele Menschen auf die Straße gehen." Gerade in Cottbus, in Luckenwalde, aber auch in Baden-Württemberg, wo die AfD auch sehr stark ist, ist das gut. Aber ich würde nicht sagen, es ist fünf vor zwölf, sondern eher viertel nach drei.”

Gut, dass es diese Protestwelle gibt, sagt Amjahid. “Aber wir müssen auch mal abwarten, was in den nächsten Wochen passiert.” Denn im Gegensatz zu rechtsextremen Gruppen seien progressive Bevölkerungsschichten schlecht organisiert. Eine wirklich breite Bewegung sei auch deshalb so schwierig auf die Beine zu stellen, weil rechtes Gedankengut mittlerweile normalisiert sei, unterstreicht der Journalist.

“Ich bin jetzt der Party Pooper: Die AfD auf null Prozent zu drücken, wird nicht klappen.” Aber eine Sache hätten die Großdemonstrationen: Es gebe eine Nachfrage nach antifaschistischer Politik. “Das Potenzial dafür zu erkennen, ist eine politische Aufgabe.”

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SWR