Lulu, ein Hundewelpe aus illegalem Welpenhandel, liegt auf einer Decke im Tierheim. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Bundesweiter Brandbrief der Tierheime

Tierheim Koblenz nimmt derzeit keine Hunde aus dem Ausland mehr auf

Stand
AUTOR/IN
Martina Gonser

Viele Tierheime auch in RLP haben bislang Hunde aus dem Ausland nach Deutschland geholt und hier weitervermittelt. In Koblenz ist damit erstmal Schluss - das Tierheim ist am Limit.

Es ist nicht zu übersehen im Koblenzer Tierheim: Hunde, wohin man schaut. Es sind einfach zu viele. Kleine Hunde und große, junge und alte, Reinrassige und Mischlinge bevölkern momentan das Tierheim, mehr als 40 Tiere. Das Tierheim in Koblenz ist am Limit.

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Deshalb will die Koblenzer Tierheimleiterin Kirstin Höfer momentan auch erstmal keine Hunde mehr aus dem Ausland in ihr Tierheim holen und vermitteln. "Weil wir erstmal unsere Probleme hier regeln müssen", sagt sie dem SWR. "Wir müssen erstmal gucken, dass wir den deutschen Hunden helfen. Deutschen Hunden geht es auch schlecht."

Tierheime in Koblenz und Neuwied: "Wir können nicht allen Hunden helfen."

Dabei sind sich die Leiterinnen der Tierheime in Koblenz, Kirstin Höfer, und in Neuwied, Sabine Steger, eigentlich einig: Tierschutz endet nicht an Deutschlands Grenzen, sagen sie. Aber - die Tierheime hier seien einfach an ihren Grenzen angekommen.

Es würden so viele Hunde von ihren Besitzerinnen und Besitzern abgegeben, dass sie einfachen keinen Platz für mehr Tiere aus dem Ausland hätten, für die neue Halter gesucht werden. Da könnten sie einfach nicht mehr allen Tieren helfen, so gerne sie das auch wollten.

Auch das Tierheim in Ransbach-Baumbach hat nach eigenen Angaben seine Zusammenarbeit mit den Partnern in Rumänien stark eingeschränkt, allerdings nicht komplett eingestellt.

Koblenz

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Das Tierheim in Koblenz kann nach eigenen Angaben kaum noch Tiere aufnehmen - so, wie die meisten Tierheime in Deutschland. Deshalb hat es gemeinsam mit anderen einen Brandbrief verfasst.

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Kirstin Höfer hat zudem einen Brandbrief von Tierheimleiterinnen und -leiter aus ganz Deutschland an Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) und die neue Tierschutzbeauftragte der Bundes mit unterzeichnet. Darin wird ein Sachkundenachweis für Menschen gefordert, die sich einen Hund zulegen wollen. Und außerdem ein Stopp der Vermittlung von Auslandshunden.

Immer mehr bissige und auffällige Auslandshunde werden abgegeben

Dazu komme, so die beiden Tierheimleiterinnen aus Koblenz und Neuwied, dass sie auch immer wieder mit verhaltensauffälligen Auslandshunden konfrontiert würden. Das seien Tiere, die über Tierschutzvereine unseriös oder dilettantisch an ihre neuen Besitzerinnen und Besitzer vermittelt wurden, so Kirstin Höfer.

"Der Hund kann im Ausland oft nicht richtig eingeschätzt werden. Die Leute werden auch nur oberflächlich begutachtet. Dann passiert es einfach, dass ein Herdenschutzmischling in einem Mietshaus sitzt. Und dann wird er bissig und muss sofort weg." Das belaste die hiesigen Tierheime und bringe sie noch weiter an ihr Limit.

RLP

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"Es ist eine Katastrophe, aber eine mit Ansage", sagt Andreas Lindig vom Tierschutzbundes Rheinland-Pfalz. Tierheime sind überfüllt und es ist keine Lösung in Sicht.

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Und Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund mit Sitz in Bonn rät Menschen, die sich einen Hund aus dem Ausland zulegen wollen, sich vorher genau zu informieren. Nach ihren Angaben sollte man etwa darauf achten, dass das Tier eine gültige Tollwutimpfung hat, mindestens 15 Wochen alt ist, einen EU-Heimtierausweis hat und mit einem Mikrochip gekennzeichnet ist.

Und ganz wichtig: Man müsse den Hund unbedingt kennen lernen, bevor man ihn zu sich nach Hause holt. "Um wirklich zu schauen, passt die Chemie? Passen wir zusammen? Denn nur anhand eines Fotos im Internet ist das Ganze einfach sehr schwierig zu beurteilen."

Kritik: Stopp von Auslandsvermittlungen könnte mehr illegalen Welpenhandel fördern

Denn wenn der Charakter des Hundes ganz anders sei, als man sich das vorgestellt habe, könne man einen Auslandshund nicht einfach wieder zurückgeben - so, wie das bei einem Züchter möglich wäre. Und so, wie das auch die Tierheime in Deutschland handhaben, etwa die in Koblenz und Neuwied. Dort schauen sich die Mitarbeitenden ohnehin schon zusammen mit ihren Partnertierheimen im Ausland vorab an, welche Hunde sie guten Gewissens vermitteln können.

Deshalb kritisieren engagierte Tierschützer gegenüber dem SWR die neue Haltung vieler Tierheime, keine oder kaum noch Auslandshunde aufzunehmen. Sie befürchten, dass Menschen, die unbedingt einen Hund haben wollen, sich dann erst recht ein Tier über unseriöse Vermittler besorgen, etwa über illegale Welpenhändler.

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