zerstörter Heizkörper nach der Hochwasserkatastrophe in Dernau im Ahrtal (Foto: SWR)

Sehnsucht nach Normalität

Ein Dorf baut auf - Folge 4: Alltag zwischen Ruinen

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Acht Wochen nach der Flut ist in Dernau sowas wie ein neuer Alltag eingekehrt. Waschen, duschen oder kochen im eigenen Haus ist für die meisten aber immer noch unmöglich.

Die Reportage-Reihe "Ein Dorf baut auf" begleitet die Menschen in Dernau im Kreis Ahrweiler auf ihrem Weg zum Wiederaufbau. In der vierten Folge "Alltag zwischen Ruinen" erobern sich Alexandra Baltes, Winzer Markus Bertram und Hotelier-Familie Schnitzler ein kleines Stück Normalität zurück - jeder auf seine eigene Weise.

Dernauer Kinder können wieder in den Kindergarten

Für Franziska Schnitzler ist es ein guter Tag, denn ihr fünfjähriger Sohn Theo kann endlich wieder in den Kindergarten gehen. Nicht in Dernau - denn dort ist noch immer alles zerstört - sondern im sechs Kilometer entfernten Holzweiler. Dort wurde ein provisorischer Flutkindergarten eröffnet. Für die Kinder von Dernau ein wichtiges Stück Normalität. "Für mich ist das auch super schön, dass er jetzt seine Freunde wieder trifft und ein bisschen abschalten kann von dem ganzen Stress, den wir hier hatten", sagt Franziska Schnitzler.

Rückkehr ins entkernte Haus

Auch Alexandra Baltes und ihr Mann Heiko haben ein Stück Normalität wiedergewonnen: Sie sind zurück in ihrem Haus. Zwar sind nur ein Zimmer und ein kleines Bad noch bewohn- und nutzbar, trotzdem ist es für Alexandra Baltes wichtig, wieder in Dernau zu sein. "Ich fühle mich hier geborgen und hier kann ich meine Probleme, die ich habe, mit meinem Nachbarn teilen. Es ist was ganz anderes, als in einer wohlbehaltenen Blase zu sitzen und deshalb nehme ich das hier - auch wenn es beschwerlich ist im Moment - gern in Kauf."

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Denn das Leben in Dernau ist nach wie vor nicht einfach: Noch immer gibt es in den meisten Häusern kein Trinkwasser aus der Leitung. Zum Duschen oder Wäschewaschen müssen die Dernauer zur einstigen Grundschule laufen, die nach der Flut umfunktioniert wurde. Auch Kochen ist für den Großteil der Einwohner nach wie vor unmöglich. Die meisten Küchen wurden durch das Hochwasser zerstört. Essen gibt es deshalb jeden Tag beispielsweise vom Deutschen Roten Kreuz oder einer weiteren Feldküche.

Die Weinlese rückt immer näher

Bei Winzer Markus Bertram laufen indes die Aufräumarbeiten auf Hochtouren. Die Weinlese steht kurz bevor, bis dahin müssen Tanks sauber gespritzt und neu bestellte Geräte aufgebaut werden. Nebenbei verschickt er den Wein, der von den Wassermassen verschont geblieben ist. "So richtig zur Ruhe kommst du nicht. Man schläft mal ein paar Stunden, aber so richtig durchgeschlafen habe ich seit dem Unwetter noch nicht."

Dernauer Schnitzel für die Dorfgemeinschaft

Peter Schnitzler, dem der Kölner Hof gehörte, ist nach Wochen endlich zurück am Herd: In der Feldküche auf dem Schulhof der Grundschule bereitet er alles für sein beliebtes Dernauer Schnitzel vor. Mehr als 300 wird er am Abend davon ausgegeben haben und für einen kurzen Moment fühlt es sich inmitten der entkernten Häuser und staubigen Straßen fast an wie früher vor der Flut, als die Dernauer noch ohne Sorgen unbeschwert Feste feierten. "Das Leben geht weiter", sagt Schnitzler. Aufgeben sei schließlich keine Option, ergänzt seine Tochter.

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