Eine Ermittlerin sitzt vor einem Monitor mit Fotodateien.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, dpa Bildfunk, Arne Dedert)

Gericht stoppt Polizei-Software

Meinung: Kein Verbrechen, trotzdem verdächtig

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Stefan Giese
Bild von Stefan Giese  (Foto: SWR, SWR/Christian Koch)

Wieder musste ein Gericht Polizeibefugnissen Grenzen setzen, weil Innenpolitikern die Wünsche der Polizei wichtiger waren als die Rechte der Bürger, meint Stefan Giese.

Verbrechen verhindern, bevor sie verübt werden, Kriminelle ausfindig machen, noch ehe sie eine Straftat begehen - das ist das Versprechen der "vorhersagenden Polizeiarbeit", die auf Basis großer Datenmengen computergestützt Verdächtige identifizieren soll. Doch diese Vorstellung hat mindestens einen schweren Haken: Ins Visier geraten zwangsläufig auch Menschen, denen nichts vorzuwerfen ist und die auch nichts Unrechtes planen. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag entschieden, dass Gesetze in Hamburg und Hessen verfassungswidrig sind, die der Polizei die automatische Analyse von Personendaten erlauben. Andere Bundesländer planten ähnliche Gesetze.

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Die Meinung von Stefan Giese

"Supergrundrecht" vs. Bürgerrechte

Wie schon bei der sogenannten Vorratsdatenspeicherung, die es den Sicherheitsbehörden möglich machen sollte, auf unsere Kommunikations- und Verkehrsdaten zuzugreifen, muss jetzt also wieder ein Gericht einschreiten, um unsere Rechte gegen allzu neugierige staatliche Stellen zu verteidigen. Der Grund dafür ist, dass die Wünsche der Polizei und andere Behörden zumindest für die Innenpolitikerinnen und -Politiker von Union und SPD immer Vorrang haben. Getreu dem Motto des früheren Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU), dass "Sicherheit" ein "Supergrundrecht" sei, dem sich eben auch die grundgesetzlich verbrieften Bürgerrechte unterzuordnen haben.

Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte begrüßt im Interview das Urteil:

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Selbst als Opfer unter Generalverdacht

Die meisten Fachkollegen von Friedrich in Bund und Ländern teilen offenkundig diese Geisteshaltung und treiben Gesetze voran, die uns alle zu Verdächtigen degradieren. Die das Schnüffeln in unseren Daten sogar dann erlauben, wenn sie nur deswegen ihren Weg in den Polizei-Computer gefunden haben, weil wir selbst Opfer einer Straftat geworden sind. Die uns möglichst gläsern machen sollen. Wem diese Kultur des Generalverdachts nicht passt, muss bis auf Weiteres daraufsetzen, dass die Gerichte weiterhin wenigstens den gröbsten Exzessen einen Riegel vorschieben.

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