Die Oberbürgermeister der baden-württembergischen Städte Schwäbisch Gmünd, Tübingen und Esslingen am Neckar fordern Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Brief zum Bürokratieabbau auf. Die Bundesregierung soll "den Entscheidern vor Ort" mehr Zuständigkeiten und Ermessensspielräume übertragen. Auf scharfe Kritik stößt die überbordende Regelungswut von Bund und Ländern. "Von Jahr zu Jahr werden die Geländer immer höher, die Fundamente immer dicker, die Fluchtwege immer breiter", schreiben Palmer und Co.
Weinlaube im Sommer muss Schneelast-tauglich sein
Die Beispiele, die Richard Arnold (Schwäbisch Gmünd), Matthias Klopfer (Esslingen am Neckar) und Boris Palmer (Tübingen) zusammengestellt haben, erinnern an Realsatire. Lauben für das sommerliche Weinfest müssen eine meterhohe Schneelast tragen können. Sogenannte Waldkindergärten gehören auf vier Räder, obwohl sie niemals bewegt werden. Neubauten in der "Erdbebenzone 3", die durchschnittlich nach 50 Jahren abgerissen werden, sollen die Stärke eines Bebens überstehen, wie es alle 450 Jahre vorkommt.
Kein Zweifel, die Herren wissen, von was sie schreiben. Aber ich habe Zweifel, ob sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Ich helfe gerade einem befreundeten Ehepaar, das in Mainz eine Gaststätte eröffnen will, beim Antrag auf eine Konzession. Das Beibringen von Dokumenten verschiedenster Behörden dauert Tage und Wochen. Leider auch in Tübingen, wo ein ähnliches Paket verlangt wird wie in Mainz. Stets lautet das Prinzip: "Kommen Sie erst zu uns, wenn Sie Ihre Unterlagen auf welchem Weg auch immer selbst zusammengesucht haben."
Dass sich Oberbürgermeister wie Boris Palmer von der Bürokratie erdrückt fühlen, kann ich nachvollziehen. Dass sie selbst Bürgerinnen und Bürgern Bürokratie zumuten, ärgert mich.