Knie ich da so beim verspäteten Frühjahrsputz vor der Kommode und sortiere Windlichter. Gelbrote bleiben, blaugrüne kommen weg. Steckt da in einem dieser Windlichter ein Fetzen Stoff. Was macht jetzt die Serviette da drin? Und woher kommt überhaupt so eine abscheuliche Serviette? Lauter Pudel drauf, bäh. Eine Pudel-Serviette in meiner Kommode? Ne, Moment, da sind zwei Gummibänder, das ist keine Serviette, das ist eine Maske, eine Stoffmaske, so eine vom Anfang der Corona-Pandemie, als flüchtige Bekannte einen mit selbstgenähtem Mundschutz aus löchrigen Geschirrtüchern bedachten.
Die Kolumne von Constance Schirra können Sie hier auch als Audio hören:
Weil… irgendwas war da mit der Maskenbeschaffung und der Bundesregierung. Ich erinnere mich nicht genau. Aber ich erinnere mich an die Pudel, ich erinnere mich an die Zeit und… oh Schreck… nicht hauen… ich denke: War schon auch schön! Wie bitte? Ich idealisiere doch! Ich habe Corona-Statistiken studiert wie andere Aktien-Kurse, bei jedem Hüsteln sah ich mich bäuchlings in einem Intensivbett liegen. Ich habe eimerweise Desinfektionsmittel gekauft und wirklich: Es fehlte nicht viel und ich hätte auf den damals regierenden orangenen Präsidenten gehört und mir das Sagrotan intravenös verabreicht. Ich habe so viele Masken gehortet, dass ich eindeutig Mitschuld an den millionenschweren Maskendeals von Unionspolitikern trage. Ich war Stammkundin im örtlichen Test-Center, das Stäbchen steckte schon fast dauerhaft in meiner Nase. Was war jetzt daran schön?
Also… ich fand es schön, dass ich manchmal einfach so vor mich hinlümmelte und in den Himmel geblinzelt habe und nichts planen und organisieren musste, weil ich nämlich überhaupt gar keine Termine hatte. Kein Zahnarzt, kein Friseur, kein Treffen am Samstag, kein Besuch am Sonntag, keine umständliche Reise, keine Koffer packen, kein Konzert, kein Kino… niemand hat mich erwartet und ich habe niemanden erwartet. Und überhaupt niemand war deswegen sauer oder beleidigt, alle waren zu Hause und versicherten sich gegenseitig, wie gerne man sich wieder treffen, ins Kino gehen, verreisen würde.
Toll, diese Entschleunigung, müssen wir in die Nach-Corona-Zeit retten, stand in einem Artikel. Jawohl! Unfassbar, diese saubere Luft, müssen wir in die Nach-Corona-Zeit retten, hieß es im Fernsehen. Genau! Sooo lecker - dieses selbstgekochte Essen, müssen wir in die Nach-Corona-Zeit retten, sagte das Radio. Auf jeden Fall!
Wieso ist da jetzt nichts von übrig geblieben? Warum lümmel ich nicht auf der Stelle einfach so vor mich hin und blinzele in den Himmel? Weil gleich mein Cousin kommt, ich muss Betten beziehen und Kuchen auftauen und zur Physio und den Nachbarn absagen und das Hotel für Juli buchen und die Katze sollte mal wieder zum Entwurmen, und… Wie konnte das passieren? Wo sind die guten Vorsätze hin? Ich schaue in der Kommode nach – leer. Ich schaue ratlos die Pudel an. Und murmele ihnen heimlich zu: Manchmal wars auch schön mit euch. Die Pudel schauen triumphierend zurück. Nix da, sage ich, ich idealisiere! Es war schrecklich! Weg mit euch! Zu den blaugrünen Windlichtern. Die Pudel winseln.