Der Angriff auf den sächsischen SPD-Europapolitiker Matthias Ecke beim Plakatieren hat eine Debatte über politische Gewalt und besseren Schutz von Politikerinnen und Politikern ausgelöst. Doch unabhängig davon, welche Folgen die Attacke haben wird: Wahlplakate werden wohl auch weiterhin von Parteien für den Wahlkampf eingesetzt werden - trotz aller digitalen Alternativen.
Denn auch wenn die Plakate im Jahr 2024 für manche wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirken dürften, gehören sie nach Ansicht von Fachleuten noch immer aus guten Gründen zum "Werbemix" vor Wahlen.
Was bei Kleidung "one size fits all" ist, ist bei Wahlen das Plakat
Obwohl Wahlplakate im Vergleich zu anderen Medien wie dem Fernsehen oder dem Netz älter, technisch einfacher und oft schlichter sind, erreichen sie mehr potentielle Wählerinnen und Wähler. Plakate hätten von allen Wahlkampfinstrumenten der Parteien die größte Reichweite, sagt der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim über Wahlplakate. "Knapp zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler nehmen sie im Verlauf des Wahlkampfes wahr", sagt Brettschneider, zu dessen Forschungsschwerpunkten die politische Kommunikation gehört.
Dagegen sieht selbst digitale Wahlwerbung alt aus. "Die Internetseiten der Parteien oder der Kandidierenden nehmen hingegen nur knapp 30 Prozent wahr. Das Gleiche gilt für die Parteien-Inhalte in Social Media-Kanälen", erklärt Brettschneider mit Blick auf Facebook, Instagram, YouTube und andere Plattformen.
Wahlplakate erreichen auch Jüngere eher als Social Media
Natürlich bestehen Unterschiede, welche Wahlwerbung welche Altersgruppe eher erreicht. Die 18- bis 29-Jährigen beispielsweise nähmen Wahlplakate, Internetseiten der Parteien und Kandidierenden, Social Media und Werbeanzeigen im Internet deutlich häufiger wahr als alle anderen Bevölkerungsgruppen, erklärt Kommunikationswissenschaftler Brettschneider.
Doch selbst bei ihnen, den Jüngeren, erreichen Parteien über Social Media weniger Menschen als über Wahlplakate, so der Hohenheimer Professor. "Bei ihnen liegt Social Media mit über 50 Prozent sogar auf Platz 2 - hinter den Wahlplakaten", so Brettschneider.
Insgesamt seien Wahlplakate ungeschlagen, was die Zahl der Menschen angeht, die so mit politischen Botschaften erreicht würden. Sein Ludwigsburger Kollege Rafael Bauschke von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
Bauschke ist in Ludwigsburg Professur für Politische Kommunikation. "Gerade im Vergleich zu Social Media wirken Plakate natürlich sehr 'oldschool'", räumt er ein. "Aber Plakate sind eben ein Medium, mit dem Sie potentiell wirklich alle Altersklassen erreichen können, was über Instagram, Facebook und Co. nicht ohne Weiteres funktioniert." Bauschke rechnet damit, dass Plakate daher auch in Zukunft zum "Wahlwerbemix" gehören.
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Forscher: Wirkung von Wahlplakaten ist begrenzt
Doch auch wenn Wahlplakate von vielen Menschen wahrgenommen werden, sagt das noch nichts darüber aus, welche Wirkung von ihnen ausgeht. Denn nur weil Menschen ein Plakat sehen, heißt das noch nicht, dass sie eine bestimmte Person oder Partei wählen - oder überhaupt wählen gehen.
"Basierend auf der bisherigen und recht überschaubaren Forschung sind sie weit weniger effektiv, wenn es um den Transport von Botschaften und Inhalten geht", erklärt Bauschke.
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Bauschke sagt, die politische Meinung oder die Entscheidung für das Kreuz an einer bestimmten Stelle könnten Wahlplakate - wenn überhaupt - nur sehr geringfügig beeinflussen. Parteien könnten mit ihnen keine politischen Gegner überzeugen, sondern diejenigen mobilisieren, die sowieso schon Anhänger seien. Wahlplakate seien eher dazu geeignet, an die Wahl zu erinnern und damit die Wahlbeteiligung zu erhöhen.
Auch der Hohenheimer Kommunikationsprofessor Brettschneider hält den Einfluss auf das Wahlverhalten für begrenzt: "Wahlplakate ändern kaum Einstellungen der Wählerinnen und Wähler auf direktem Weg." Die Hauptfunktion der Plakate bestehe darin, die Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, die für eine Partei besonders günstig sind.
Wahlplakate: Nur ein Gesicht und ein Name reichen nicht
Doch was macht ein gutes Wahlplakat aus, das die Menschen nicht nervt, sondern zum Kreuz an der "richtigen" Stelle animieren soll? Brettschneider unterscheidet zwischen mehreren Arten von Plakaten. Auf den reinen "Kopfplakaten" ist ein Kandidat oder eine Kandidatin aus dem Wahlkreis abgebildet, meist versehen mit dem Namen, dem Parteilogo und einem Slogan, erklärt der Kommunikationsforscher. "Diese Plakate wirken kaum. Sie machen die Kandidaten und Kandidatinnen zwar etwas bekannter, doch viele Menschen sind früher oder später von diesen Plakaten genervt", so Brettschneider.
Anders sei das bei den Plakaten der Spitzenkandidierenden: Auch hier ist zwar ein Kopf abgebildet, aber es wird zusätzlich eine besondere Eigenschaft der Person behauptet, beispielsweise Verlässlichkeit oder Führungsstärke. "Durch die Verbindung eines Themas mit einem Spitzenkandidierenden können diese Plakate größere Wirkung entfalten", sagt Brettschneider.
Zu viel Text auf Plakaten kann abstoßend wirken
Andere Plakate kommen hingegen ohne das Bild einer Person aus. Bei dieser dritten Kategorie handelt es sich um reine Themenplakate. Sie drehen sich beispielsweise um Wirtschaft, Umwelt, Soziales, Frieden und Sicherheit. "Parteien können damit die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihre Kernthemen lenken. Dafür darf das Plakat aber nicht überfrachtet sein", sagt Brettschneider.
Am besten eigne sich die Kombination aus einem Foto, das die Aufmerksamkeit auf sich ziehe, und einem passenden Slogan. "Reine Textplakate hingegen wirken meist gar nicht - oder sogar abstoßend, wenn sie viel Text enthalten", erklärt der Forscher.
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