Der Vorsitzende der STIKO aus Ulm, Thomas Mertens (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | David Young)

Interview mit dem Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission

Corona-Impfung: Was STIKO-Chef Mertens jetzt rät

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INTERVIEW
Maja Nötzel
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Christine Janke
SWR Aktuell Autorin Christine Janke (Foto: SWR)
Volker Wüst
Volker Wüst (Foto: SWR, SWR - Alexander Kluge)

Wer sich gegen Corona impfen lassen will, hat derzeit die Wahl zwischen zwei Omikron-Impfstoffen. Welchen nehmen? Ist egal, erklärt der Ulmer STIKO-Vorsitzende Mertens im SWR-Interview.

Der neue Impfstoff gegen die aktuellen Corona-Varianten ist seit knapp drei Wochen verfügbar. Für über 60-Jährige wird die vierte Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen. Der Vorsitzende, der Ulmer Virologe Professor Thomas Mertens, erklärt, welche Rolle die Wahl des Impfstoffes spielt und warum er nicht an eine Impfung alle sechs Monate glaubt.

SWR Aktuell: Rund ein Fünftel der über 60-Jährigen in Baden-Württemberg hat die vierte Corona-Impfung erhalten. Wie bewerten Sie diese Zahl als STIKO-Chef?

Thomas Mertens: Diese ist natürlich im Augenblick sehr ungünstig. Es wäre sehr wichtig, dass vor dem Winter die Menschen, die ein Risiko für schwere Erkrankungen haben, sich tatsächlich der Empfehlung entsprechend impfen lassen würden. 

SWR Aktuell: Laufen wir in die nächste große Corona-Welle rein? 

Mertens: Bei Corona-Wellen müssen wir immer zwei Dinge unterscheiden: Die Infektionswelle können wir letztendlich nur schwer verhindern, auch durch Impfungen nur bedingt. Es geht darum, die Welle der Erkrankungen und vor allen Dingen die Welle der schweren Erkrankungen zu vermeiden. Wir müssen immer Infektion und Erkrankung differenziert betrachten. Um die Erkrankungswelle zu vermeiden, wäre es wichtig, dass sich die Menschen mit einem entsprechenden Risiko jetzt im Herbst impfen lassen.

"Wir können derzeit nicht sagen, welcher der beiden Impfstoffe besser vor Erkrankungen schützt."

SWR Aktuell: Es gibt im Moment zwei neue angepasste Impfstoffe: BA1 und BA4/BA5. Ist es egal, mit welchem Impfstoff sich über 60-Jährige impfen lassen?

Mertens: Eigentlich ist es egal. Es gibt derzeit keine wirklichen klinischen Wirksamkeitsdaten. Das heißt, wir können derzeit nicht sagen, welcher der beiden Impfstoffe besser vor Erkrankungen schützt. Insofern kann man tatsächlich sagen: Es wird zwar viel diskutiert, aber in Wirklichkeit spielt die Auswahl des Impfstoffes nur eine untergeordnete Rolle.

SWR Aktuell: Welche Varianten sind derzeit am stärksten verbreitet? 

Mertens: Derzeit ist die B5-Variante vorherrschend in Deutschland. Aber aus den bisher vorliegenden immunologischen Ergebnissen zeigt sich, dass auch die anderen Impfstoffe eine Antikörper-Antwort gegen diese Variante hervorrufen. Man kann auch nicht sagen, dass der alte Impfstoff nun völlig veraltet ist, auch diese Impfung bringt einen zusätzlichen Schutz. Ich kann nur wiederholen: Die Diskussion über die Art des Impfstoffes ist eigentlich sekundär. Wichtig wäre, dass sich die Menschen wirklich impfen lassen, die ein großes Risiko für eine Erkrankung haben. 

"Es wird nicht möglich sein, die gesamte Bevölkerung alle sechs Monate zur Auffrischimpfung aufzurufen."

SWR Aktuell: Im Moment scheint es so, als ob alle sechs Monate eine neue Impfung nötig ist. Ist es absehbar, dass ein allgemeiner Impfstoff entwickelt wird, der länger hält? So dass man beispielsweise nur alle zwei bis drei Jahre eine Impfung braucht? 

Mertens: Sie sprechen einen sehr wichtigen Punkt an. Man muss ganz klar sagen: Es wird nicht möglich sein, die gesamte Bevölkerung alle sechs Monate zur Auffrischimpfung aufzurufen. Ich glaube auch nicht, dass das nötig sein wird. Wir müssen zu einer Art von Normalität in diesem Bereich kommen. Wir müssen akzeptieren, dass es weiterhin Infektionen geben wird. Es kommt darauf an, durch verschiedene Maßnahmen die Menschen zu schützen, die ein erhebliches Risiko haben, bei Infektionen auch schwer zu erkranken. 

SWR Aktuell: Wie die Isolation zum Beispiel?

Mertens: Ich spreche auch den berühmten Mundschutz an. Es gibt Menschen, bei denen die Impfung nicht wirksam ist, weil sie immunologisch nicht in der Lage sind, den Immunschutz aufzubauen. Für diese Menschen kann es sinnvoll sein, in bestimmten Situationen einen Mundschutz zu tragen. Insofern würde ich Maßnahmen nicht auf die Impfung beschränken. Maßnahmen können auch ein Mundschutz oder Kontaktvermeidung sein - all das, was wir bereits aus der Vergangenheit kennen. 

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"Die Impfkampagne ist ein Riesen-Erfolg!"

SWR Aktuell: Angesichts steigender Infektionszahlen und auch vermehrten Einlieferungen ins Krankenhaus wegen Covid-19 - würden Sie die bisherige Impfkampagne als fehlgeschlagen bezeichnen? 

Nein. Die Impfkampagne ist ein Riesen-Erfolg! Viele Menschen, auch ich persönlich, haben sich nach drei oder vier Impfungen infiziert, sind aber nicht schwer erkrankt, obwohl sie zu einer Risikogruppe gehören. Das ist etwas, was man klar machen muss: Es geht nicht um die Vermeidung von Infektionen, sondern um die Vermeidung von schweren Erkrankungen. In dieser Hinsicht war die Impfung ein voller Erfolg. 

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