Das halbe Tortendiagramm, das im Ulmer Rathaus auf einem Bildschirm prangt und die Sitzeverteilung des neuen Gemeinderats zeigt, ist vor allem eines: bunt. Gegen 23:30 Uhr am Montagabend steht fest, was sich bereits die letzten Stunden abgezeichnet hat - 15 von 16 Parteien und Wählervereinigungen schaffen es in den Gemeinderat.
Grüne stärkste Kraft mit Verlusten
Kurz vor Ende ein freudiger Aufschrei aus der Ecke der Grünen - mit dem vorletzten, ausgezählten Bezirk gewinnen sie nochmal einen Sitz dazu und sind mit acht Sitzen und 19,7 Prozent die stärkste Partei in Ulm. Stimmkönigin mit mehr als 29.000 Stimmen ist Spitzenkandidatin Lena Schwelling: "Das bedeutet mir sehr, sehr viel!"
Nach den mehr als schlechten Ergebnissen nach der Europawahl eine Erleichterung. Doch auch in Ulm mussten die Grünen Federn lassen. Die Partei verlor die meisten Stimmen und zwei Sitze am Ratstisch. Es sei ein herber Verlust und gebe der Partei in Ulm zu denken, so Schwelling.
Mit 17 Prozent und sieben Sitzen folgt die CDU als zweitstärkste Kraft. Knapp dahinter die SPD mit 15 Prozent und sechs Sitzen. "Ein schönes Ergebnis", kommentiert der Fraktionsvorsitzende Martin Rivoir das Ergebnis. Schließlich hat seine Partei das erste Mal seit 25 Jahren an Stimmen hinzugewonnen. Die Freien Wähler erlangen in Ulm neun Sitze und verlieren damit einen Sitz. In der Fraktionsgemeinschaft haben sich FWG, UVL, UWS und WWG zusammengetan.
Ein zersplitterter Gemeinderat in Ulm?
Drei neue Listen sind neu: die Tierschutzpartei, die Klimaliste und die Junge Ulmer Liste. Alle drei ziehen mit einem Sitz in den Gemeinderat ein, darunter auch die Spitzenkandidatin der Jungen Ulmer Liste, Emilia Stella Schneider. Sie sei etwas aufgeregt und gespannt, was auf sie zukommt, sagte sie am Montagabend. Angesichts ihres Alters mache sie sich jedoch keine Sorgen: "Ich scheue die Konfrontation nicht und habe auch keine Angst mit älteren Leuten in den Diskurs zu gehen", so die 16-Jährige.
Ob der vielen Neulinge sagt Martin Rivoir von der SPD: "Ich mach mir da keine Sorgen." Andererseits sei es definitiv möglich, dass die Kompromissfähigkeit nachlasse. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Kienle ergänzt: "Es ist unterm Strich ein Test für die Demokratie." Von einer Herausforderung spricht die Grüne Lena Schwelling. Sie klingt dabei jedoch zuversichtlicher: "Wir hatten bisher auch immer Einzelpersonen und konnten die gut integrieren."
Dass sich mehr als 500 Kandidatinnen und Kandidaten haben aufstellen lassen, wertet Oberbürgermeister Martin Ansbacher als starkes Signal. Es zeige großes Interesse an der Ulmer Kommunalpolitik. "Es ist ein bunt gemischter Ulmer Gemeinderat. Ich denke, ich kann sehr gut damit arbeiten", ist das Stadtoberhaupt überzeugt.
AfD mit zwei Sitzen im Ulmer Gemeinderat
Die AfD bekommt zwei Sitze. Mit Nicolas Brickenstein zieht ein Politiker in den Gemeinderat ein, der in der Vergangenheit mit der Identitären Bewegung in Verbindung gebracht wurde. Die Wahl der AfD-Kandidaten kommentiert Ulms OB Martin Ansbacher diplomatisch: "Diese Personen haben alle Rechte und Pflichten eines Ulmer Gemeinderates und das muss ich zur Kenntnis nehmen."
Piraten ohne Land in Sicht
Die Piraten haben es als einzige Partei nicht in den Gemeinderat geschafft. Die Anzahl der Stimmen reichte nicht für einen Sitz aus.
Und warum hat das alles so lange gedauert?
Die zuletzt ausgezählten Wahlbezirke, die Ulmer Weststadt und Söflingen, ließen an diesem Montagabend besonders lange auf sich warten. Die Wahlhelfer hatten in den beiden Bezirke mit jeweils rund 600 Stimmzetteln einiges auszuzählen. Ein weiterer Grund: "Die Bürger haben fleißig panaschiert und kumuliert und ihre Aufgabe sehr ernst genommen", sagt Oberbürgermeister Martin Ansbacher. Man habe auch das Auszählen sehr ernst genommen.
Gegen 23 Uhr, nach vier Stunden Wartezeit, wurde Pizza und somit gute Laune ins Ulmer Rathaus bestellt. Ein kollektiver Erleichterungsseufzer, als dann doch noch vor Mitternacht das Ergebnis und der neue Gemeinderat für Ulm feststand.