Alb-Guide Rita Goller gibt Lebensweisheit weiter

Auf der Schwäbischen Alb von Schnecken die Langsamkeit gelernt

Stand
Autor/in
Peter Binder
Peter Binder ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Auf Wanderungen mit Rita Goller lernt man nicht nur viel über die Alb. Sie will auch zeigen, worauf es im Leben ankommt. Sie selbst hat es auf die harte Tour gelernt.

Das Beste für gestresste Hektiker wäre es, einen Tag lang Schnecken zu beobachten, sagt Rita Goller. Denn wer denen ruhig zusieht, erkennt, dass die ihre gesteckten Ziele erreichen, obwohl sie langsam sind. Gelebte Entschleunigung. Goller hatte zeitweise bis zu 70.000 Weinbergschnecken in ihrem Schneckengarten in Münsingen-Rietheim (Kreis Reutlingen) auf der Schwäbischen Alb.

Gleichmäßig kommen sie voran, ihre Schnecken, bedächtig und in Ruhe. Aber sie kommen immer ans Ziel, weiß Goller. Auch als Mensch sollte man gelegentlich nachdenken, anstatt immer hektisch das Ziel möglichst schnell erreichen zu wollen.

Leistung ohne Rücksicht auf den eigenen Körper

Sie kennt das noch aus eigener Erfahrung, dass man immer weiter springen will, immer schneller sein, immer effektiver. Früher war sie Filialleiterin bei einem Discounter. Natürlich hat sie sich auch mit einer Grippe in den Betrieb geschleppt, weil ihre Arbeit ja erledigt werden musste. Sie hat die Grippe verschleppt und ist davon später so krank geworden, dass sie fast gestorben wäre. Die volle Leistung konnte sie danach nicht mehr bringen, aber nichts tun konnte sie auch nicht. So hat sie ihr Hobby ausgebaut, Weinbergschnecken für die Gastronomie gezüchtet.

Wie ruhig! Da schreit keine Schnecke! Das ist doch wunderschön!

Vom Wert der Langsamkeit

Die Entschleunigung, die sie dabei gelernt, und den Wert der Langsamkeit, den sie dabei entdeckt hat, das will sie anderen Menschen weitergeben. Wenn sie Wandergruppen über die Alb führt, erfahren die von ihr nicht nur viel über die Natur und darüber, wie das Leben hier früher war. Es geht oft auch darum, was im Leben wirklich wichtig ist.

Rita Goller vor einem Baum mit mehreren ineinander verschlungenen Stämmen
Ein Baum als Kraftort. Rita Goller und der Ochsenboschen bei Münsingen-Rietheim

Mystischer Kraftort

Dazu gehöre, dass man sich selbst wirklich spüren kann. Zum Beispiel am Ochsenboschen, einem alten Baum, der aus vielen Bäumen besteht, die sich schon als junge Triebe ineinander verschlungen haben. Unter dem fanden schon in alten Zeiten Hirten Zuflucht vor dem Regen. Wer sich an ihn lehne, ihn berühre, ihn auf sich wirken lasse, könne einen Teil der Kraft dieses fast mystischen Baumes auf sich übergehen lassen. Dann sei einem oft leichter zumute.

Kein Stress: alles eine Frage der Einstellung

Auch beim Arbeiten kann man sich entspannen, wenn man es richtig macht. Im historischen Backhäusle von Rietheim erklärt Rita Goller, dass man sich das Leben natürlich schwer machen kann, indem man sich Sorgen macht, das Brot könnte zu hell oder zu dunkel werden. Es schmeckt ja aber gut und deshalb kann man auch einfach mit jedem möglichen Ergebnis zufrieden sein. Ob hell oder dunkel.

Wer schaut, sieht mehr

An einem versteckten See im Wald bei Rietheim, der dem vulkanischen Boden zu verdanken ist, in dem Ende des 19. Jahrhunderts Basalt abgebaut wurde, lehrt Rita Goller ihre Wandergruppe das Schauen. Wer nur vorbeigeht, würde es nicht bemerken, aber wer sich ein bisschen Zeit nimmt, der erkennt es: Aus allen Baumstümpfen, die aus dem Wasser ragen, sprießt schon wieder frisches Grün. Es sind solche Kleinigkeiten, die einem zeigen können, was die Natur alles schafft, freut sich Goller. Und dann, meint sie, kann man auch sich selbst besser spüren.

Trüber See mitten im Wald. Wer genau hinschaut, erkennt auf den Baumstümpfen nachwachsendes Grün.
Dieser versteckte See im Wald bei Münsingen-Rietheim ist durch Basalt-Abbau vor über 100 Jahren entstanden.

Alb-Guide aus Überzeugung

Obwohl sie gelernt hat, dass man sich nicht zu viel zumuten darf, dass es oft viel besser ist, weniger zu machen, ist Rita Goller regelmäßig als Alb-Guide unterwegs. Man lerne auch immer viel von den Teilnehmenden, jede und jeder bringt eigenes Wissen mit. Außerdem sei es einfach schön, wenn man spürt, dass nachher alle glücklich und zufrieden nach Hause fahren. Deshalb koste es sie keine Kraft, solche Touren zu organisieren und zu leiten. Es gibt ihr Kraft.

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