Das Europäische Parlament in Straßburg

Dreiland Aktuell

Frankreichs Rechtsnationale laut Umfragen vorne: Wen wählen unsere Nachbarn ins EU-Parlament?

Stand
AUTOR/IN
Christine Veenstra
Paula Kersten
Matthias Schlott
Harry Stitzel

In Frankreich dürfte die Europawahl zum Denkzettel für Präsident Macron werden. Ein Freiburger Politikexperte erklärt, warum viele bei einer rechten Partei ein Kreuz machen wollen.

Umfragen zur Europawahl in Frankreich zufolge könnte rund ein Drittel der abgegebenen Stimmen beim rechten Rassemblement National (RN) landen. Parteichef und Spitzenkandidat Jordan Bardella wirbt unter anderem für mehr nationale Souveränität und will weniger Europa. Damit trifft er auch im Elsass vielerorts auf offene Ohren.

Viele in Frankreich wüssten nichts von der Europawahl am 9. Juni

Vom EU-Parlament im Straßburger Europaviertel bis zum Wochenmarkt im Vorort Illkirch sind es nur ein paar Kilometer das Flüsschen Ill hinauf. Eric Braun vom "Centre d'Information sur les Institutions Européennes" (CIIE) ist an einem Mittwochmorgen zum Markt gefahren, um über die Europawahl zu informieren.

"Wir haben festgestellt, dass viele Menschen nicht einmal wissen, dass am 9. Juni die Europawahl ist", sagt Braun. Auf dem Straßenpflaster haben er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter eine große Europakarte ausgebreitet. Viele Flyer haben sie dabei und kleine "Werbegeschenke". Doch die meisten Menschen gehen einfach an ihnen vorbei. Stehen bleibt erstmal nur eine Gruppe von drei Männern, und die drapieren neben Eric Brauns Europa-Flaggen eine Frankreich-Fahne mit dem sogenannten Lothringer Kreuz. "Die Nationalisten", wie Braun kopfschüttelnd erklärt.

Mehrere Institutionen des Netzwerks "Europe Direct" sind derzeit unterwegs, um die Menschen im Elsass über die EU-Parlamentswahl zu informieren.
Mehrere Institutionen des Netzwerks "Europe Direct" sind derzeit unterwegs, um die Menschen im Elsass über die EU-Parlamentswahl zu informieren.

Vor allem junge Menschen wollen Rassemblement National wählen

Laut Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung werden es bei der Europawahl in Frankreich vor allem junge Wählerinnen und Wähler sein, die für den Rassemblement National (RN) stimmen. Der 28-jährige Spitzenkandidat Jordan Bardella pflege seiner Einschätzung nach ein smartes, jugendlich-adrettes Image. Das komme an. "Er hat auf Tik-Tok über eine Million Followerinnen und Follower", so der Experte. Rund zwei Drittel der jungen Menschen informierten sich über Politik eben über Social Media und nicht über die etablierten Medien.

Auf dem Illkircher Wochenmarkt trifft man an diesem Morgen vor allem Rentnerinnen und Rentner, zum Beipsiel Chantal Samtmann. Die kleine resolute Frau ist gerne bereit, etwas zur Europawahl zu sagen, nämlich, dass sie nicht wählen wird. Sie wisse nicht, wen sie wählen sollte, sei mit allen unzufrieden, sagt Samtmann. "Jedes Mal gibt es Versprechungen und dann geht gar nichts." Laut Umfragen dürfte die Wahlbeteiligung in Frankreich bei unter 50 Prozent liegen.

Chantal Samtmann, Rentnerin aus Illkirch.
Chantal Samtmann, Rentnerin aus Illkirch im Elsass.

"Man muss sich ein bisschen mehr um Europa und die Europäer kümmern und die anderen für sich selbst sorgen lassen. Man kann nicht alle aufnehmen und dann die Franzosen oder die Europäer im Dreck sitzen lassen."

"Europa wird nicht genug wertgeschätzt", meint demgegenüber Michel Frankhauser, ebenfalls Rentner. Er fühle sich als Europäer und Elsässer, seine französische Nationalität spiele für ihn keine große Rolle. "Gestern war ich noch in Kehl-Goldscheuer um meine Einkäufe zu machen", erzählt Frankhauser. Während seines Berufslebens als Feuerwehrmann habe er zudem viel mit den deutschen Kollegen zusammengearbeitet.

Michel Frankhauser, Rentner aus Illkirch im Elsass.
Michel Frankhauser, Rentner aus Illkirch im Elsass.

"Ich finde es fabelhaft, eine Grenze überqueren zu können, ohne meine Identität nachweisen zu müssen."

Auch ein anderer Passant meint, die Entwicklung Europas müsse weiter gehen. Jean-Pierre Cordier heißt er, und ihm ist wichtig, dass Europa insbesondere in einem Bereich vorankomme: "Die Entwicklung der Verteidigung mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und das Verhältnis zu Russland."

Überraschungserfolg für Spitzenkandidat der Sozialisten

Während der Europawahlkampf läuft, beobachtet Michael Wehner von der Landeszentrale für Politische Bildung in Frankreich eine weitreichende Neu-Ordnung des Parteiensystems. Das heißt, es gibt viel Bewegung, was die Zusammenarbeit zwischen den Parteien angeht, aber auch bei der Gunst der Wählerinnen und Wähler. Davon profitieren könne demnach die Wahlliste der Sozialisten mit ihrem EU-Spitzenkandidaten Raphaël Glucksmann, meint Wehner. Umfragen zu Wahlabsichten bei der Europawahl sehen die Partei rund zwei Wochen vor der Wahl bei rund 15 Prozent. Die Liste der Präsidentenpartei hätte demgegenüber nur einen Prozentpunkt Vorsprung.

Laut Wehner könne Glucksmann von Antipathien gegen Emmanuel Macron Vorteile profitieren - von Wählerinnen und Wählern, die dem Präsidenten einen Denkzettel verpassen wollen. Zudem bekomme er Zulauf von Links - von Wählerinnen und Wählern von La France Insoumise.

Neue Machtverteilung im EU-Parlament?

Die Gefahr sei, dass sich das rechte Lager nach der Parlamentswahl neu sortieren werde. "Wir haben die Rechtspopulisten in zwei Fraktionen im Europaparlament vertreten. Es könnte eine neue einheitliche Rechte geben, die dann gebündelter Widerstand gegenüber Europäisierungstendenzen leistet", so Wehner.

Insgesamt könne man aber davon ausgehen, dass eine breite Koalition aus Konservativen, Sozialdemokratischen, Liberalen und grünen Parteien dem Einhalt gebieten wird. "Es ist davon auszugehen, dass dieser Teil des Europaparlaments auch in Zukunft die Mehrheit haben wird."

Weitere Themen in der Sendung Dreiland Aktuell vom 25.05.2024

Überschwemmungen haben im Elsass und in Südbaden große Schäden verursacht. Besonders die Landwirtschaft ist von den starken Regenfällen betroffen. Die Einbußen bei der Ernte sind auch in Hinblick auf den Beginn der Erdbeer-Saison beträchtlich. Auf französischer Seite wurden zudem mehrere Geschäfte, Wohnhäuser und Straßen überflutet.

Das Pelpass-Festival ist mittlerweile eine feste Größe in der Straßburger Musikszene. Das Festival, zu dem Künstler aus dem gesamten Dreiländereck kommen, wird fast ausschließlich von Freiwilligen organisiert. Einige der Bands, die hier ihre Auftritte hatten, sind später groß rausgekommen.

Wohnen in der Schweiz wird immer teurer. Insbesondere in den Städten steigen die Mieten rasant. Der Hauptgrund laut der Raiffeisenbank, von der die Zahlen stammen: Es wurde in den vergangenen Jahren zu wenig gebaut.

Freiburg

Europawahl am 9. Juni: Deutschland wählt 96 Abgeordnete Wer will für Südbaden ins Europaparlament?

Bei der Europawahl am 9. Juni haben Wählende genau eine Stimme. Auf dem Zettel stehen in Baden-Württemberg 34 Parteien und politische Vereinigungen. Wer für Südbaden dabei ist.

Freiburg

Diskussion und Probe-Wahl am Goethe-Gymnasium Wählen ab 16: Jugendliche in Freiburg befragen Europawahl-Kandidaten

Spannende Diskussion an Freiburger Gymnasium: Jugendliche fühlen Europawahlkandidaten der großen Parteien auf den Zahn. Denn sie wollen am 9. Juni die "richtige" Wahl treffen.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR BW

Baden-Württemberg

Einigkeit, Bürokratie und Freiheit EU-Lust gegen EU-Frust: Wo Europa vieles einfacher macht - und wo komplizierter

Vieles ist leichter geworden durch die EU: Grenzkontrollen und Roaminggebühren sind weggefallen, andere EU-Vorgaben machen alles kompliziert - und teuer. Sechs Beispiele aus BW.

Stand
AUTOR/IN
Christine Veenstra
Paula Kersten
Matthias Schlott
Harry Stitzel