Eine Weichenstellung gegen den Fachkräftemangel? Die Deutsche Bahn hat in Freiburg einen neuen Ausbildungsstandort an den Start gebracht. Seit vergangenem September können sich junge Menschen zu Nachwuchs-Eisenbahnern ausbilden lassen. Sie lernen Züge zu steuern und auf Rangierbahnhöfen oder auf einem Stellwerk zu arbeiten. Ein großer Vorteil für die Azubis aus der Region Freiburg: Sie müssen nicht mehr zu den bisherigen Standorten nach Esslingen oder Ettlingen (Kreis Karlsruhe) pendeln. Das soll Zeit sparen und noch mehr Nachwuchskräfte für die Arbeit auf der Schiene motivieren.
Azubi Simon Schulz profitiert vom Standort Freiburg
Ein langer, blauer Trenchcoat, dazu eine weinrote Schirmmütze: Auszubildender Simon Schulz aus dem Kandertal hat die Bahn-Uniform übergestreift. Ruhig und konzentriert steuert er eine virtuelle Bahn im Simulator: rechte Hand am Joystick, den Blick auf die Schienen gerichtet. Seit mehr als fünf Monaten lässt sich der 21-Jährige in Freiburg zum Lokführer ausbilden. Ein "Traumjob", sagt Schulz. Er wuchs mit der Bahn auf. "Ich hatte das Glück im Kandertal groß zu werden, direkt neben dem Chanderli, das war wunderschön", schwärmt der Auszubildende. Seine Familie ist tief im Verkehrswesen verwurzelt. Sein Vater fährt Bus und Tram, sein Schwager arbeitet bei DB Cargo und sein Großvater war Verkehrsingenieur.
An der Ausbildung zum Lokführer führte für Simon Schulz kein Weg vorbei. Ihm war klar, dass er nach dem Abitur nicht studieren will. Was ihn zusätzlich angespornt hat: der neue DB-Ausbildungsstandort in Freiburg. "Dies ermöglicht mir das Leben, was ich mir vorgestellt habe: keine großen Pendelwege und noch Zeit für Freizeit", erzählt Schulz.
Zwei Ausbildungen für Eisenbahner in Freiburg möglich
Der schulische Teil der Ausbildung findet an der Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule in Freiburg statt. Es gibt zwei Ausbildungsklassen. Eine Gruppe lässt sich zu Lokführern ausbilden, der Lehrgang heißt auf Bahndeutsch offiziell "Eisenbahner:in im Betriebsdienst". Die andere Gruppe lernt den Beruf des Fahrdienstleiters ("Eisenbahner:in in der Zugverkehrssteuerung"). Dabei geht es darum, den Güter- und Personenverkehr in einem der rund 50 Stellwerke in der Region sicher zu koordinieren. Insgesamt 45 junge Menschen stecken momentan im ersten Lehrjahr. In den kommenden Jahren sollen am Standort Freiburg jeweils etwa 50 Auszubildende starten.
Neuer Standort soll Personalmangel eindämmen
Mit dem neuen Ausbildungsstandort in Freiburg will die Deutsche Bahn in die Offensive gehen und auch ein Zeichen gegen den Fachkräftemangel in der Branche setzen. "Wir hatten eine echte Lücke in Südbaden", sagte Clarissa Freundorfer, DB-Konzernbevollmächtigte für Baden-Württemberg, am Rande der offiziellen Eröffnung des Standortes. Überall in der Fläche würden Nachwuchskräfte gebraucht, der Fachkräftebedarf sei enorm gestiegen, so Freundorfer weiter. Die Bahn müsse sich dezentraler aufstellen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Die Standorte in Esslingen und Ettlingen hätten nicht ausgereicht.
Die Deutsche Bahn stellt nach eigenen Angaben in diesem Jahr so viele Nachwuchskräfte wie noch nie ein. Bundesweit sind es insgesamt 6.000 neue Kolleginnen und Kollegen, davon knapp 800 in Baden-Württemberg.
Regierungspräsidentin Schäfer: "Weichenstellung für die Zukunft"
Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer erinnert sich noch an die früheren Ausbildungsorte der Bahn im Regierungsbezirk Freiburg: in Freiburg, Offenburg und Singen. Nach dem Aus der Standorte Ende der 90er-Jahre sei die jetzige Rückkehr nach Freiburg ein wichtiges Zeichen, so Schäfer. Auch aus Klimaschutzgründen.
"Wenn wir dem Klimawandel eine adäquate Antwort geben wollen, dann müssen wir im Bereich der Mobilität etwas tun", sagt die Regierungspräsidentin. "Wir brauchen eine neue Infrastruktur, was wir mit der Rheintalbahn, mit der Hochrheinbahn [...] auch machen, aber ohne die Menschen geht es nicht."