Windkraftanlage (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Energiewende durch Bürokratie ausgebremst?

Aktenberge - nur für die Windenergie

STAND
AUTOR/IN
Frieder Kümmerer
Frieder Kümmerer (Foto: privat)

Der Antrag für einen Windenergiepark im Rems-Murr-Kreis musste in 15-facher Ausführung von EnBW eingereicht werden. 36.000 Blatt Papier. Kein Einzelfall - auch für den Nordschwarzwald wird kopiert, was das Zeug hält.

In Baden-Württemberg sollen mehr Windräder gebaut werden - so der Wille des baden-württembergischen Umweltministeriums. Auch der Energieversorger EnBW möchte gerne mehr Windräder bauen, allerdings steht zu Beginn eines Windparks ein bürokratischer Kraftakt in Papierform an. Berge an Kopien des Antrags zum Bau von Windenergieparks müssen in unzähligen Aktenordnern an die Landratsämter überstellt werden. Alleine dafür werden mehrere Zehntausend Euro ausgegeben.

Video herunterladen (59 MB | MP4)

Windpark im Rems-Murr-Kreis

Vor einigen Wochen hat die EnBW in Stuttgart den Antrag zum Bau eines Windparks zwischen Welzheim und Plüderhausen (Rems-Murr-Kreis) eingereicht. Drei Windräder sollen dort gebaut werden. Dafür verlangten die Behörden die Anträge in 15-facher Ausführung. Das Ergebnis: 16 Aktenordner, 20 Schnellhefter und rund 36.000 Blatt Papier. Alles in 15 Umzugskartons verpackt.

Aktenordner für einen Windpark liegen auf dem Tisch (Foto: Pressestelle, EnBW)
Für drei Windkraftwerke im Rems-Murr-Kreis: 60 Aktenordner, 36.000 Blatt Papier, 15 Umzugskartons. Die Behörden verlangten die Anträge in 15-facher Ausführung. Bis auf ein Exemplar wird am Ende alles wieder vernichtet.

Papierflut ist keine Seltenheit

Michael Soukup ist Projektleiter bei EnBW und für die Entwicklung von Windenergie in Süddeutschland zuständig. "Wir hatten auch schon Behörden, die das in 25-facher Ausführung haben wollten. Das bedeutet 25 Mal diese Ordner bearbeiten, drucken, einsortieren, heften, verpacken und an die Behörde fahren." Für die Fahrt zu Behörde werde immer ein kleiner Lieferwagen benötigt, anders könne man die Berge von Papier nicht transportieren.

"Dann wird das bei der Behörde abgegeben, Eingangsstempel drauf, dann wird das bearbeitet."

Wenn die Bearbeitung abgeschlossen ist und die Behörden einen Windpark genehmigen, kommen die Akten wieder zurück zur EnBW. "Wir vernichten die dann, wir haben ja selbst keinen Platz. Bis auf ein Exemplar, in dem die eigentlichen Genehmigungsstempel drin sind." Dieses Exemplar wandert dann ins Archiv.

Michael Soukup, Projektleiter Windenergie bei EnBW (Foto: SWR)
Michael Soukup, Projektleiter Windenergie bei der EnBW, sortiert einige Unterlagen und Aktenordner für einen Windenergiepark im Nordschwarzwald.

Auch im Nordschwarzwald sorgt ein Windpark für Papierkrieg

Ein weiterer Windpark, der gerade im Genehmigungsverfahren ist, befindet sich bei Grömbach (Kreis Freudenstadt). Das Landratsamt dort verlangte die Unterlagen immerhin nur in 11-facher Ausführung. "Wir für uns selbst brauchen die Akten in Papierform überhaupt nicht", erklärt Michael Soukup. "Wir arbeiten rein digital, alle Pläne, alle Unterlagen werden bei uns digital erstellt, bearbeitet und ausgetauscht. Auch unsere Partnerunternehmen, mit denen wir zusammen arbeiten, wollen alles von uns digital haben".

Bei Grömbach (Kreis Freudenstadt), sollen zwei Windräder gebaut werden. (Foto: SWR)
Hier, bei Grömbach (Kreis Freudenstadt), sollen zwei Windräder gebaut werden. Die ganzen Baupläne müssen für die Behörden farbig und im Spezialformat ausgedruckt werden. Vor allem die Sonderformate und Farbdrucke verursachen Zusatzaufwand bei den Anträgen.

Lediglich für die Behörden werden die Akten gedruckt. Das Ganze verursacht auch Kosten. "Wir haben das mal ausgerechnet. Für jeden Genehmigungsantrag rechnen wir mit 20.000 bis 25.000 Euro." Für die Vervielfältigung und Bereitstellung der Ordner. Dabei spiele es keine Rolle, ob es bei einem Windpark um zwei, drei oder zehn Windräder ginge.

Bundesverband WindEnergie: "Auf dem Weg der Besserung"

Auch der baden-württembergische Vorstand vom Bundesverband WindEnergie (BWE) hat den Papierkrieg bei Windkraftanlagen kritisiert. "Das ist verrückt, wir haben in der Vergangenheit bis zu 40.000 Blatt Papier gedruckt, die oft keiner gelesen hat und die hinterher vernichtet wurden", erklärt Andreas Markowsky, Vorstandsmitglied bei BWE Baden-Württemberg. Aber immerhin, in diesem Thema sei man inzwischen gut vorangekommen. "Wir haben inzwischen schon viele Anträge, die weitestgehend digital bearbeitet werden."

"Der Verwaltungsaufwand und die Verwaltungsabläufe, da hat sich einiges getan."

In dieser Hinsicht könne man der Landesregierung sogar ein kleines Lob aussprechen. Anders sehe es für ihn bei der Prioritätensetzung für erneuerbare Energien aus. Zu viele Unwägbarkeiten, zu langwierige Prozesse, würden zu oft den Bau von Windparks verhindern.

Umweltministerium: "Wir arbeiten mit Hochdruck an Lösungen"

Auch das Umweltministerium in Baden-Württemberg hat die Probleme erkannt. Schriftlich teilt das Ministerium dem SWR mit: "Um die Dauer von Genehmigungsverfahren zu verkürzen, planerische wie bürokratische Hürden abzubauen und Flächen zur Verfügung zu stellen, haben wir als Landesregierung Ende 2021 eine ressortübergreifende Task Force ins Leben gerufen." Somit habe man die Planungs- und Genehmigungszeiten von Windparks bereits um dreieinhalb Jahre verkürzt.

Darüber hinaus habe man in den vier Regierungspräsiden in Baden-Württemberg spezielle Stabstellen eingerichtet, "die als schnelle Eingreiftruppen die Genehmigungsverfahren voranbringen sollen und auch für das Monitoring der Genehmigungsverfahren verantwortlich sind."

Noch bleibt der Papieraufwand

Auch Michael Soukup bei EnBW nimmt Veränderungen wahr. Man sei tatsächlich dabei, einiges zu ändern. Aber noch bleibt bei den meisten Behörden eine Flut von Papieranträgen Alltag. "Mit der modernen Arbeitswelt, mit Digitalisierung, mit Entbürokratiesierung hat das nichts zu tun." Es dürfte noch etwas dauern, bis die Papierflut bei den Behörden und bei der EnBW ein Ende hat.

Mehr zum Thema Windenergie aus BW

Ingersheim

Erneuerbare Energien Flaute beim Bau neuer Windräder in der Region Stuttgart

1.000 neue Windräder in zehn Jahren - dieses Ziel hat die grün-rote Landesregierung 2011 ausgegeben. Doch das wurde weit verfehlt. Auch in der Region Stuttgart stockt der Ausbau. Warum?

Heilbronn-Franken

Start am Montag in Neuenstadt am Kocher Windenergie: Dialog-Tour für genauen Trassenplan von SuedLink

Der Betreiber TransbetBW erläutert bei einer Dialogtour den genauen Trassenplan, bei der sich Anlieger einbringen können.

Neckar-Odenwald-Kreis

Besuch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann Windenergie im Aufwind: 89 Windräder im Neckar-Odenwald-Kreis geplant

Im Neckar-Odenwald-Kreis sind 89 neue Windräder geplant, informierte Landrat Achim Brötel anlässlich des Besuchs von Ministerpräsident Kretschmann.

SWR4 BW Aktuell am Nachmittag SWR4 Baden-Württemberg

Singen

Klimastudie der Umweltschutzorganisation BUND Wie der Landkreis Konstanz klimaneutral werden kann

Der BUND hat eine Klimastudie mit Handlungsempfehlungen für den Landkreis Konstanz vorgestellt. Es geht darum, wie die Energieversorgung in der Region bis 2040 klimaneutral werden kann.

SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

Freiburg

Ökostromgruppe Freiburg Gestörte Windkraftanlagen in Südbaden infolge eines Hackerangriffs

Europaweit schränkt derzeit eine Störung des Satelliten-Internets den Betrieb von 5.800 Windkraftanlagen ein. Betroffen sind auch Anlagen in Südbaden.

Eberbach

Vor Bürgerentscheid zu Bau von Windkraftanlagen Energie-Unabhängigkeit durch Windkraft? Heiße Debatte in Eberbach

Am 3. April soll es in Eberbach einen Bürgerentscheid zum Bau von Windkraftanlagen geben. Am Mittwoch gab es dazu eine Infoveranstaltung. Die stieß auf reges Interesse.