Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, nimmt an einer öffentlichen Sitzung des Innenausschusses im Landtag von Baden-Württemberg teil. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliancedpa  Marijan Murat)

Verletzung von Dienstgeheimnissen

Klage angekündigt: BW-FDP will weitere Ermittlungen gegen Innenminister Strobl erzwingen

Stand

Der Innenminister in BW steht massiv unter Druck. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits - bisher jedoch nicht wegen Geheimnisverrats. Das will die FDP nun erzwingen.

Wegen der Weitergabe eines Anwaltsschreibens im Zusammenhang mit der Affäre um den ranghöchsten Polizeibeamten wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung steht der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) weiter unter Druck. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen Strobl und prüft mehrere mögliche Straftatbestände. Die FDP im Land will nun auch Ermittlungen wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen erzwingen.

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FDP: Strobl hindert Justiz an Ermittlungen gegen ihn selbst

"Es kann ja nicht sein, dass in einem Rechtsstaat ein Minister, der eine Straftat begangen hat, nicht bestraft werden kann, weil er die Justiz an den Ermittlungen hindert", sagte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke, im SWR-Interview. Es müsse eine Möglichkeit geben, der Justiz und letztlich auch dem Rechtsstaat zur Durchsetzung unserer Rechtsstaatlichkeit zu verhelfen, so Rülke weiter.

Dass Strobl Geheimnisverrat begangen habe, sei nicht öffentlich festgestellt worden, weil der Innenminister die Ermittlungen blockiere.

"Das sind Zustände, die kennt man eigentlich nur aus Bananenrepubliken. Dass Regierende die Justiz daran hindern, ihren eigenen Straftaten nachzuermitteln."

CDU-Generalsekretärin springt Strobl zur Seite

Baden-Württembergs CDU-Generalsekretärin Isabell Huber stellte sich hinter Strobl. "Die FDP sollte endlich damit aufhören, Strafanzeigen und Klagen als politisches Instrument zu missbrauchen", erklärte sie am Freitag.

"Dieser Versuch der politischen Instrumentalisierung ist absolut inakzeptabel."

Der FDP gingen die Argumente aus. Strobls Bilanz als Innenminister sei tadellos, so Huber. "Der FDP-Fraktionsvorsitzende sollte damit aufhören, seine persönliche Abneigung gegen den Innenminister für seine politischen Spielchen zu verwenden. Dafür leben wir in zu ernsten Zeiten", sagte die CDU-Generalsekretärin.

Staatsanwaltschaft braucht Ermächtigung aus dem Innenministerium

Rückblick: Im Dezember veröffentlichte ein Journalist ein Schreiben des Anwalts des beschuldigten Polizeibeamten. Das Innenministerium zeigte sich ahnungslos, wie das Schreiben an die Öffentlichkeit gelangt war. Daraufhin ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt. Sie bat das Innenministerium nach einer Ermächtigung, um bei dem Dienstvergehen weiter ermitteln zu können. Ohne diese Erlaubnis ist ihr eine weitere Strafverfolgung nicht möglich. Das Innenministerium verweigerte die Genehmigung.

Vier Monate später gab der stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl im Innenausschuss des Landtags zu: Er selbst habe das Anwaltsschreiben weitergegeben. Doch die Genehmigung seines Hauses für die Staatsanwaltschaft gab es weiterhin nicht.

Baden-Württemberg

Was bisher geschah Die Affäre um Thomas Strobl und den Polizeiinspekteur von BW

Immer lauter werden die Vorwürfe gegen den Innenminister - auch der BW-Datenschutzbeauftragte hat sich geäußert. Dabei stand Strobl zunächst gar nicht im Fokus der eigentlichen Affäre.

Deshalb erteilt das BW-Ministerium keine Genehmigung zur Ermittlung

Das Innenministerium argumentiert, es handele sich bei dem Schreiben des Anwalts nicht um ein amtliches Schreiben und auch nicht um ein Dienstgeheimnis, darum habe man die Ermächtigung für Ermittlungen nicht erteilt. Der Anwalt des hochrangigen Polizisten, gegen den wegen sexueller Belästigung ermittelt wird und der vom Dienst suspendiert ist, hatte kurz vor Weihnachten dem Ministerium ein Schreiben zukommen lassen. Darin bot er der Hausspitze auch ein persönliches Gespräch mit dem beschuldigten Beamten an.

Strobl sah darin ein "vergiftetes Angebot". Er habe für "maximale Transparenz" sorgen und verhindern wollen, dass die andere Seite das Schreiben lanciert und der Vorwurf der Mauschelei aufkommt.

Rülke: Innenminister Strobl stellt sich über das Gesetz

Für die FDP ist dieser Zustand ein Unding. Deshalb will sie eine Anwaltskanzlei beauftragen, Klage dagegen einzureichen. Dann könnte ein Verwaltungsgericht entscheiden, ob das Innenministerium dazu gezwungen werden kann, diese Ermächtigung zur Ermittlung wegen möglicher Verletzung von Dienstgeheimnissen zu erteilen.

"Das ist ja das, was einen Rechtsstaat von einem Unrechtsstaat unterscheidet, dass niemand über dem Gesetz steht", sagte Rülke.

"Innenminister Strobl bildet sich, glaube ich, ein, über dem Gesetz zu stehen und der Ministerpräsident schaut zu und unterstützt ihn dabei."

Das sei ein aus Rülkes Sicht einmaliger Skandal, so etwas könne nicht hingenommen werden. Falls die FDP nicht klageberechtigt sei, wolle sie prüfen, wer sonst klagen kann. Außerdem werde man in der kommenden Woche mit der baden-württembergischen SPD darüber reden, ob ein Untersuchungsausschuss in der Affäre eingesetzt werden kann, so Rülke.

Innenministerium unter Druck Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen Landespolizeiinspekteur: SPD fordert Aufklärung wegen eines Briefes an Journalisten

In der Affäre um die Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen den Polizeiinspekteur kritisiert die SPD Innenminister Strobl. Sie fordert eine Sondersitzung eines Landtagsausschusses - wegen eines Briefes an die Presse.

In diesen Punkten ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen Strobl

Unabhängig von dem Vorwurf der Verletzung von Dienstgeheimnissen hat die Staatsanwaltschaft bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Darin geht es um den Verdacht der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen, also dass ein Dokument aus einem Disziplinarverfahren öffentlich wurde. Die Ermittlungen richten sich gegen den Journalisten, der das Anwaltsschreiben veröffentlicht hat, und gegen Innenminister Strobl wegen Anstiftung dazu.

Nach einer Strafanzeige der FDP ermitteln die Staatsanwälte zusätzlich gegen Strobl in diesen drei Punkten:

  1. Verdacht der Strafvereitelung im Amt
  2. Verrat von Privatgeheimnissen
  3. Verstoß gegen das Datenschutzgesetz

Landesdatenschutzbeauftragter Brink sieht Verstoß gegen das Gesetz

Am Dienstag erklärte der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink, dass der CDU-Minister Strobl gegen das Gesetz verstoßen habe. Die Übermittlung des Anwaltsschreibens sei weder nach Fachgesetzen noch nach Datenschutzvorschriften zu rechtfertigen und deshalb als rechtswidrig zu bewerten, sagte der oberste Datenschützer. Er wolle mit seinem Verfahren aber noch warten, bis die Staatsanwaltschaft ihre gerade laufenden Ermittlungen abgeschlossen hat.

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SWR