Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, nimmt an einer öffentlichen Sitzung des Innenausschusses im Landtag von Baden-Württemberg teil. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Affäre um Polizeiinspekteur

Oberster Datenschützer in BW: Innenminister Strobl hat rechtswidrig gehandelt

Stand

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ein Untersuchungsausschuss steht bevor. Nun eröffnet auch der oberste Datenschützer des Landes ein Verfahren gegen Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte, Stefan Brink, hat offiziell bekannt gegeben, dass Innenminister Strobl aus seiner Sicht mit der Weitergabe eines internen Schreibens klar gegen das Gesetz verstoßen hat. Zu dem Ergebnis kommt ein "datenschutzaufsichtsrechtliches Prüfverfahren". In einem neunseitigen Schreiben begründet Brink seine Sichtweise und warum er nun auch ein aufsichtsbehördliches Verfahren in der Sache eröffnet hat. Ministerpräsident Kretschmann zeigte sich verwundert über das Vorgehen Brinks. Bislang ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart - und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss steht im Raum.

Ermittlungen gegen Strobl und einen Journalisten

Strobl steht wegen der Affäre massiv unter Druck. Gegen den 62 Jahre alten CDU-Politiker wird bereits seit zwei Wochen wegen des Verdachts verbotener Mitteilung über Gerichtsverhandlungen ermittelt. Hintergrund ist, dass der Minister kürzlich eingeräumt hatte, im Dezember einem Journalisten das Schreiben des Anwalts eines suspendierten, hochrangigen Polizisten weitergeleitet zu haben. Der Polizeiinspekteur muss sich gegen den Vorwurf sexueller Belästigung einer Hauptkommissarin verantworten.

SPD und FDP fordern die Entlassung des Ministers. Die FDP-Fraktion stellte zudem Strafanzeige gegen Strobl, unter anderem wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen.

Stefan Brink, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg, spricht bei der Vorstellung eines Berichts.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)
Stefan Brink, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg (Archivbild)

Brink: Strobl hat gegen Datenschutz verstoßen

Nach Ansicht des obersten Datenschützers des Landes hat Strobl mit der Weitergabe des Schreibens auch gegen den Datenschutz verstoßen. Zu diesem Schluss kommt Brink in seiner Betrachtung. Die Weitergabe des internen Schreibens, so der Datenschutzbeauftragte, sei weder nach Fachgesetzen noch nach allgemeinen Datenschutzvorschriften zu rechtfertigen.

"Die Übermittlung verletzt daher das einschlägige Datenschutzrecht und ist deshalb als rechtswidrig zu bewerten."

Kretschmann "verwundert" über Vorgehen des Datenschützers

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich irritiert über das Vorgehen des obersten Datenschützers in der Affäre um Innenminister Thomas Strobl (CDU). Nach Angaben von Strobl gegenüber Kretschmann habe der Datenschutzbeauftragte im Vorfeld zum Verfahren nicht mit dem Innenminister gesprochen. "Das verwundert mich etwas", sagte Kretschmann am Dienstag.

Ministerpräsident will sich nicht zum Verfahren äußern

Zu der Einschätzung des Datenschützers, Strobl habe mit der Weitergabe des Schreibens gegen das Gesetz verstoßen, wollte sich Kretschmann nicht äußern.

"Das Schreiben liegt mir nicht vor. Und ich beurteile nicht Dinge, die mir nicht vorliegen."

Erst müsse geprüft werden, ob er durch eine Aussage dazu nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen würde, so Kretschmann im Rahmen der Regierungspressekonferenz am Dienstag. Zwar sei das Gutachten am Montagabend im Staatsministerium eingegangen, man habe aber wegen der Arbeit des Koalitionsausschusses und der Kabinettsitzung am Dienstagvormittag noch keine Zeit gehabt, es zu prüfen.

FDP und AfD: Forderungen nach Entlassung und Rücktritt

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht im Gutachten des obersten Datenschützers zur Herausgabe eines Anwaltsschreibens an die Presse einen weiteren Grund für einen Rückzug von Innenminister Strobl. "Nun ist erwiesen, dass bei Strobl weitere Rechtswidrigkeiten hinzukommen zu denen, wogegen die Staatsanwaltschaft bisher schon vorgeht", teilte Rülke am Dienstag in Stuttgart mit. Er forderte deshalb Ministerpräsident Kretschmann erneut auf, Strobl als Innenminister zu entlassen.

"Sowohl der Regierungschef als auch sein Stellvertreter müssen nunmehr umgehend zurücktreten." Mit diesen Worten kommentierte AfD-Landtagsfraktionschef Bernd Gögel den Auftritt Kretschmanns bei der Landespressekonferenz am Dienstag.

Auch Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, ging hart mit dem Dienstherrn der Polizisten in Baden-Württemberg ins Gericht: "Wenn ein Polizeibeamter seine Oma im polizeilichen System abfragt, kostet ihn das mindestens 1.000 Euro." Die Causa Strobl wiege deutlich schwerer.

Strobl verliert wichtigen Mitarbeiter

Neben der Kritik rund um die Polizeiinspekteur-Affäre muss Strobl auch mit einem personellen Rückschlag herumschlagen. Am Dienstagabend gab es im Haus der Wirtschaft in Stuttgart einen Empfang zu Ehren des scheidenden Staatssekretärs Julian Würtenberger, der Ende Mai mit 65 Jahren in Ruhestand geht. In seiner Abschiedsrede sagte Strobl dem Vernehmen nach, Würtenberger sei ein "großartiger Amtschef" gewesen, der "Dreh- und Angelpunkt" der CDU in der Koalition mit den Grünen. Der Jurist Würtenberger stand dem 62-Jährigen bis zuletzt im Innenausschuss bei.

Eigentlich stand die Nachfolge für Würtenberger schon fest. Strobl hatte sich den bisherigen Amtschef im Justizministerium, Elmar Steinbacher, ausgeguckt. Doch nachdem das Kabinett die Personalie Anfang April schon abgenickt hatte, wurde sie vor kurzem vom Innenministerium zurückgenommen. Der Grund: Als Amtschef im Justizministerium ist Steinbacher ein Insider, was die Ermittlungen gegen Strobl wegen der Weitergabe des Anwaltsschreibens angeht. Und auch über das Verfahren gegen den ranghohen Polizisten, gegen den wegen sexueller Belästigung ermittelt wird, weiß Steinbacher Bescheid.

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SWR