Die Polizeigewerkschaften kritisieren das Verhalten von Innenminister Thomas Strobl (CDU) in der Affäre um sexuelle Nötigung gegen einen ranghohen Polizisten. Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart: "Wäre Innenminister Strobl ein Polizist, hätte ihn das Innenministerium schon suspendiert und man hätte eine Pressemitteilung herausgegeben, die eine Rückkehr sehr schwer gemacht hätte." Mit Blick auf die Rücktrittsforderungen der Opposition erklärte der Gewerkschafter, er habe "Verständnis für die politischen Bewertungen in der Causa Strobl".
SPD fordert Entlassung des Innenministers Vorwurf der Weitergabe von Dienstgeheimnissen: Druck auf Strobl und auch Kretschmann nimmt zu
Die SPD fordert Ministerpräsident Kretschmann auf, Strobl zu entlassen. Außerdem will die FDP eine aktuelle Debatte im Landtag, die Polizeigewerkschaft fordert Erklärungen.
"Vertrauensverlust in der Polizei, aber auch in der Bevölkerung"
Auch am Freitag äußerte sich Strobl nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens nicht zu den Vorwürfen. Der CDU-Landeschef wird auch nicht beim Bezirksparteitag der CDU Nordwürttemberg in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) dabei sein, obwohl er angekündigt war. Stattdessen soll es ein voraufgezeichnetes Grußwort per Video geben, sagte eine Sprecherin der Landes-CDU.
Kusterer begrüßte die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Strobl wegen der Weitergabe eines Schreibens des Anwalts des beschuldigten Beamten an die Presse. Man könne den Eindruck gewinnen, "dass die Unschuldsvermutung im Innenministerium nichts gelte". Kusterer sagte: "Der Vertrauensverlust in der Polizei, aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern wirkt schwer." Er plädierte dafür, dem Innenministerium das Disziplinarverfahren gegen den hohen Beamten zu entziehen und am besten dem Staatsministerium zu übertragen.

Kusterer sagte weiter, er gehe davon aus, dass die Anklagebehörde auch andere Rechtsverstöße prüfe, die bisher noch nicht genannt worden seien. "In der Tat sind die Vorgänge im Innenministerium seit geraumer Zeit mehr als nur dazu geeignet, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erschüttern." Es gebe große Zweifel an der gesamten Personalpolitik im Innenministerium bis hin zur Besetzung von Spitzenfunktionen. Als Beispiel nannte der Gewerkschafter die sogenannte Beurteilungskonferenz im Innenministerium, um die es auch am Mittwoch im Innenausschuss gegangen sei.
"Man hat den Eindruck, dass da einiges nicht mit rechten Dingen zugeht."
"Wir brauchen keine Diskussion über unseren Dienstherrn"
Strobl müsse sich selbst fragen, ob er es als Jurist mit seinen Rechts- und Moralvorstellungen vereinbaren könne, als Dienstherr so mit den Persönlichkeitsrechten von Menschen, die sich an ihn wenden, umzugehen. Er finde es erstaunlich, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz dies als vereinbar betrachteten und Strobl den Rücken stärkten.
Kusterer bilanzierte, für ihn stehe im Mittelpunkt, "dass die Polizei endlich wieder korrekt, unaufgeregt und professionell sich ihrer Aufgabe widmen kann. Wir brauchen keine Diskussion über unseren obersten Dienstherrn und wir brauchen uneingeschränktes Vertrauen auch in seine Handlungsweisen."
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Auch Gewerkschaft der Polizei fordert "schlüssige Erklärung" von Strobl
Auch der Gewerkschaftschef der Polizei (GdP) kann das Vorgehen des Innenministers nicht nachvollziehen und fordert von Strobl eine schlüssige Erklärung für die Weitergabe des Anwaltsschreibens. GdP-Landeschef Gundram Lottmann sagte dem SWR am Donnerstag, er habe selbst häufig mit Disziplinarverfahren zu tun gehabt und niemals interne Informationen nach außen gegeben. Und wenn, müsse dies mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt sein.
Opposition: Kritik an Strobl ist "vernichtend"
In Kusterers Äußerungen sieht die Opposition ein Misstrauensvotum der Polizei gegen den Minister. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch erinnerte an einen legendären Spruch von Ex-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auch Strobls Schwiegervater ist: "Da wüsste Wolfgang Schäuble, was es geschlagen hat: Isch Over", schrieb Stoch auf Twitter.
Hans-Ulrich Rülke (FDP) sagte, die Kritik der Gewerkschaft an Strobl sei "vernichtend". Nur Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) erkenne nicht, "dass dieser Minister endgültig verbrannt ist. Dieses Misstrauensvotum kann er nicht ignorieren. Wie lange will er noch zuschauen?" Kretschmann hatte seinem Vize-Regierungschef Strobl am Mittwoch das "volle Vertrauen" ausgesprochen, sich aber zu den Ermittlungen nicht geäußert.