Die psychologische Lesben- und Schwulenberatung - kurz PLUS - gilt als erste ihrer Art in Baden-Württemberg. Der Verein wurde vor genau 25 Jahren in Mannheim eröffnet.
Gründung der Beratungsstelle PLUS
Bis 1990 wurde Homosexualität von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als psychische Krankheit eingestuft. Neun Jahre danach gründeten vier junge Menschen - zwei Psychologinnen und zwei Psychologen - eine Beratungsstelle in Mannheim für Lesben und Schwule. Ihr Angebot sollte eine Lücke in der Region schließen. Sie waren selbst Teil der queeren Community und wollten einen Raum schaffen, in dem die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität weder infrage gestellt noch abgewertet wird.
Mannheim: kein Angebot für queere Menschen vor 1999
"Die nächste Anlaufstelle für queere Menschen war in Köln", erinnert sich Margret Göth, die damals die Beratungsstelle mitgegründet hat. Hier in der Region habe es schlichtweg kein vergleichbares Beratungsangebot gegeben.
Mannheim sei schon immer ein queeres Zentrum gewesen. In den 1980er Jahren gab es hier mit der Diskothek "MS Connexion" einen Schwulen-Treffpunkt, der europaweit bekannt war, erklärt sie. Der Bedarf war da und die Community auch, so Göth.
Schwule und Lesben beraten andere Schwule und Lesben
Das Besondere an der Beratungsstelle: Schwule und Lesben beraten Schwule und Lesben. Mittlerweile habe sich das Team erweitert und man könne von einem queeren Team sprechen, erklärt Ulli Biechele. Er gehörte ebenfalls zum Gründungsteam und ist als einziger bis heute noch bei PLUS tätig.
Die Beratungsstelle musste sich die ersten sieben Jahre irgendwie über Wasser halten, bis sie erste Förderungen der Stadt erhielt, so Margret Göth, die lange in der Geschäftsführung tätig war. Im Gegensatz zu anderen psychologischen Beratungsstellen hatten sie es deutlich schwerer, erzählt ein weiters Gründungsmitglied bei der "Geburtstagsfeier" im Marchivum am 28. Februar 2024.
Mehr als eine Beratungsstelle in Mannheim
Bei PLUS ging es immer darum, ein Netzwerk zu bauen und die Community zu stärken, betonen die Gründungsmitglieder. Die jungen Menschen organisierten von Anfang an Veranstaltungen, veröffentlichten wissenschaftliche Arbeiten und erweiterten ihr Beratungsangebot.
Geschlechtsidentität zentrales Beratungsthema
Früher war PLUS primär eine Beratungsstelle für Schwule und Lesben. In den letzten zehn Jahren rückte das Thema geschlechtliche Identität immer mehr in den Vordergrund.
Mit steigender Sichtbarkeit der Thematik würde auch das Vertrauen der Betroffenen steigen, sich zu öffnen. Mindestens die Hälfte der Beratungen beschäftigen sich damit, erzählt Ulli Biechele.
PLUS: 3.000 Beratungskontakte in 2023
Bei PLUS gibt es neben den Einzel- und Gruppenberatungen auch ein Beratungsangebot für queere Geflüchtete. Außerdem seien über die Jahre zahlreiche Zusatzangebote dazugekommen, wie die langjährige Veranstaltungsreihe "KulturPLUSLust", die Vereinsjugend "JUGEND von PLUS" und dem Zentrum für sexuelle Gesundheit Mannheim "KOSI.MA" als Nachfolge der Aidshilfe Mannheim-Ludwigshafen. Mittlerweile arbeiten bei PLUS 17 Menschen hauptberuflich, dutzende Honorarkräfte und über 100 Ehrenamtliche.
Anfeindungen sind nach wie vor Alltag für queere Menschen
Trotz einer offener werdenden Gesellschaft berichten queere Menschen in der Beratung als auch die Mitarbeitenden von PLUS vermehrt von Anfeindungen und Diskriminierungen, erzählt Ulli Biechele.
Die Beratungsstelle leistet seit Jahren Präventions- und Aufklärungsarbeit an Schulen. Mitarbeitende stoßen dabei auch hier vermehrt auf Ablehnung und aggressive Sprüche, wie zum Beispiel: "Lasst uns mit eurem schwulen Scheiß in Ruhe.", berichtet Biechele.
Beratungsstelle in Mannheim: Arbeit geht nicht aus
Queere Menschen würden in unserer Gesellschaft als "anders" wahrgenommen und deshalb im Laufe ihres Lebens oft mit Ablehnung konfrontiert. Viele stellten deshalb ihre eigene Identität infrage, so der Diplom-Psychologe Biechele.
Die Arbeit werde ihnen nicht ausgehen, da ist sich Biechele sicher. Wir als Gesellschaft müssten uns gegen Hassrede und Gewalt positionieren, so der Diplom-Psychologe weiter. Man müsse weiterhin für Freiheit und ein tolerantes Zusammenleben kämpfen - auch dafür stehe man bei PLUS.