In einer Kita in Pforzheim wird ein Turm aus Klötzchen gebaut (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Uli Deck)

Mit Minijobs und Freiwilligen

Kultusministerium will mit Öffnungsklausel Kita-Krise in BW entschärfen

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Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik (Foto: Henning Otte)
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Matthias Roman Schneider

Es fehlen an allen Ecken und Kanten Erzieherinnen und Erzieher. Mancherorts wurden schon die Öffnungszeiten der Kitas gekürzt. Nun will das Ministerium weiter gegensteuern.

Das baden-württembergische Kultusministerium will mit einer Öffnungsklausel im Kita-Gesetz die Krise der Kindertagesstätten im Land entschärfen. Wie Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) dem SWR sagte, sollen die Einrichtungen künftig von den gesetzlichen Personalvorgaben abweichen können. "Wir brauchen in der Personalsituation viele verschiedene Hebel, an denen wir ansetzen", erklärte der CDU-Politiker. Die Öffnungsklausel sei "ein weiterer Schritt". 

Studie: In BW fehlen 57.600 Kitaplätze

Trotz massiven Ausbaus in den vergangenen Jahren kann Baden-Württemberg den Bedarf an Kitaplätzen bei weitem nicht decken und unterläuft damit in vielen Teilen des Landes den Rechtsanspruch der Eltern auf eine Betreuung. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hatte ergeben, dass in diesem Jahr 57.600 Kitaplätze fehlen. Um diese Plätze zu schaffen, müssten die Kommunen als Kita-Träger zusätzlich 16.800 Fachkräfte einstellen.

Kitas sollen passende Regelungen beantragen können

Das Konzept des Kultusministeriums sieht vor, dass die Einrichtungen künftig individuelle, für sie passende Regelungen für die Betreuung der Kinder beantragen können. "Von dem Personalschlüssel kann abgewichen werden, wenn das eine Lösung vor Ort ist, die man mit den Beteiligten erarbeitet", so Staatssekretär Schebesta.

Der Antrag muss dann vom Landesjugendamt geprüft werden. Das Kultusministerium will so neue Konzepte erproben und kommt damit einer Forderung der Kommunalverbände nach.

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Die seit September geltenden Regeln sehen unter anderem vor, dass zwei Kinder mehr pro Kita-Gruppe zugelassen sind. Diese und weitere Maßnahmen sollen jetzt bis August 2025 verlängert werden.

Konkret geht es zum Beispiel um die Vorgabe, wie viele ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher pro Gruppe eingesetzt werden müssen. Die Fachkräfte könnten demnach bald noch stärker als bisher von Freiwilligendienstleistenden oder Mini-Jobberinnen und -Jobbern verstärkt werden. Schebesta betonte, die ohnehin belasteten Erzieherinnen und Erzieher müssten zwingend in das Verfahren einbezogen werden.

"Es wird nicht von Trägerseite oder von kommunaler Seite einfach eine Entscheidung getroffen", sagte Schebesta, der mit Rücksicht auf die Erzieherinnen bis vor kurzem noch Bedenken geäußert hatte.   

ver.di: Qualität der Betreuung leidet

Die Gewerkschaft ver.di kritisierte das Vorhaben des Kultusministeriums, vor allem im Hinblick auf die Qualität der Kinderbetreuung.

"Ich halte das für keine kluge Entscheidung."

ver.di-Landesbezirksleiter Martin Gross hält das für keine kluge Entscheidung, "weil das wird dazu führen, dass die Qualität in der Kita schlechter wird". Es werde der Druck von den Eltern so groß sein, dass die Träger gar nicht anders könnten, als längere Öffnungszeiten anzubieten. "Da suggeriert man eine Freiheit, die es so nicht gibt." Der ver.di-Landeschef sagte weiter: "Meine Befürchtung ist, dass noch mehr Erzieherinnen und Erzieher den Beruf verlassen." Gross zweifelt, dass die Bedenken der Erziehenden wirklich gehört werden. 

Umsetzung frühestens im Jahr 2024

Schebesta kündigte an, mit dem Gesetz noch vor der Sommerpause ins Kabinett zu gehen. Im Spätherbst sei dann mit einer Verabschiedung im Landtag zu rechnen. Das heißt, dass die Öffnungsklausel wahrscheinlich erst ab dem übernächsten Kindergartenjahr 2024/2025 greifen kann.  

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