Jugendlicher filmt eine Prügelei (Foto: IMAGO, IMAGO / imagebroker)

Enge Zusammenarbeit mit Jugendämtern

Nach Prügel-Attacke in Rastatt: So geht die Polizei mit auffälligen Jugendlichen um

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Rebekka Plies
Ein Bild von Rebekka Plies (Foto: SWR, Patricia Neligan)

Eine Prügel-Attacke zwischen drei Jugendlichen in Rastatt hat in den vergangenen Tagen für Aufsehen gesorgt. Alle drei sind bereits mehrfach auffällig geworden. So geht die Polizei Karlsruhe damit um.

Die Attacke zweier 13-jähriger Mädchen auf eine 14-Jährige auf dem Bahnhof Rastatt war laut Polizei wohl keine Zufallstat. Die Karlsruher Polizei verweist darauf, dass es in dem Personenkreis wiederholte Auseinandersetzungen in der Vergangenheit gegeben habe. Die 14-Jährige sei dabei sowohl Opfer als auch Täterin gewesen. Der Umgang mit minderjährigen Straftäterinnen und Straftätern bedeutet für die Ermittler intensiven Austausch mit anderen Behörden.

Knapp 350 Gewalttaten unter Minderjährigen in Karlsruhe

Im vergangenen Jahr hat die Polizei im Stadtgebiet Karlsruhe 348 sogenannte Rohheitsdelikte von Minderjährigen registriert. Dazu gehören unter anderem Raub oder Körperverletzung. Wobei mit 266 der Großteil der Taten auf Körperverletzungsdelikte zurückgeht. Die Fälle von registrierten Straftaten werden von der Polizei an die Staatsanwaltschaft weitergegeben.

Angaben der Polizei zufolge spielen sich die meisten Fälle im öffentlichen Raum ab, oftmals in der Innenstadt rund um den Marktplatz, aber auch der Schlossgarten oder der Messplatz sind demnach Schwerpunktorte.

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"Happy Slapping": Wenn Online-Zoff auf der Straße eskaliert

Die meisten Attacken haben laut Polizei eine Vorgeschichte. Bevor es zu körperlichen Auseinandersetzungen auf öffentlichen Plätzen kommt, haben demnach die Streitereien bereits online in Chats oder auf Social Media begonnen.

Irgendwann verlagert sich der Zoff dann auf die Straße. Laut Polizei führt das zu Beleidigungen, aber auch Körperverletzungen. Dabei werden die Streitenden oft gefilmt und durch andere aufgestachelt und angefeuert. Die Videos landen dann im Internet - ein Phänomen, was auch unter dem Begriff "Happy Slapping" bekannt ist.

Mehr Körperverletzungsdelikte unter Mädchen

Bei jungen Mädchen verzeichnete die Polizei zuletzt einen Anstieg solcher Straftaten. Diese agieren teils aus Gruppen heraus. Auch wenn aktuell darüber noch keine konkreten Zahlen vorliegen, erklärt die Polizei, sei in diesem Bereich einiges in Bewegung.

"Die Intensität der Körperverletzungsdelikte unter Mädchen hat gefühlt zugenommen."

So wird mit jungen Tätern umgegangen

Die Ahndung solcher Gewaltdelikte fordert den Behörden einiges ab. Zunächst muss festgestellt werden, ob die Tatverdächtigen überhaupt strafmündig sind.

Die Ermittler geben die Straftaten auch direkt an die zuständigen Jugendämter weiter, die in einem potenziellen Ermittlungsverfahren dann auch intensiv mit einbezogen werden. Somit herrscht ein reger Austausch, wenn sich Hinweise auf mögliche Intensivtäterinnen und -täter ergeben. Wenn Anklage erhoben wird, gilt in der Regel der Grundgedanke des Jugendstrafrechts: Erziehung vor Strafe.

Intensiver Austausch zwischen Ermittlern und Jugendämtern

Direkt nach Feststellung einer Straftat durch Minderjährige bekommen die Jugendämter eine Mitteilung. Bei Minderjährigen, die unter 14 Jahre alt und damit noch nicht strafmündig sind, wird versucht auch mit den Eltern ins Gespräch zu kommen. Insbesondere wenn es um mehrfach auffällig gewordene Jugendliche geht, werden Angebote wie Anti-Aggressionstraining, ein Täter-Opfer-Ausgleich oder soziale Trainingskurse, in denen unter anderem das Sozialverhalten trainiert wird, gemacht.

Die Hürden, um Jugendliche aus den Familien zu nehmen und beispielsweise in einer Einrichtung unterzubringen, sind sehr hoch. Dementsprechend sind Polizei, Jugendämter und auch in Karlsruhe das Haus des Jugendrechts in enger Abstimmung. Auch bei einer Verurteilung durch das Jugendgericht werde versucht, die straffälligen Jugendlichen durch soziale Maßnahmen von der schiefen Bahn zu bekommen.

Psychologin: Zivilcourage-Training könnte helfen

Neben den Straftaten an sich schockierte in den Fällen aus Rastatt und Karlsruhe die Tatsache, dass keiner der Umstehenden dem Opfer zur Hilfe kam oder den Notruf wählte. Die Psychologin Maryam Boos spricht von einer "Verantwortungsdiffusion".

Rastatt

Psychologin: "Nicht-Handeln ist ansteckend - Handeln aber auch" 14-Jährige in Rastatt verprügelt: Wieso hat niemand eingegriffen?

Eine 14-Jährige wird verprügelt, die umstehende Menge filmt, aber niemand hilft. Dabei kann Zivilcourage trainiert werden, erklärt die Psychologin Maryam Boos im SWR Interview.

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Von "Verantwortungsdiffusion" wird gesprochen, wenn es scheint, dass sich die Verantwortung unter Anwesenden und Zuschauern aufteilt: je mehr Menschen da sind, umso weniger Verantwortung bleibt für den Einzelnen übrig. Bis sich, wie in diesen Fällen, niemand mehr zuständig fühlt. Ein Training in Zivilcourage könnte nach Ansicht der Psychologin helfen.

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Aufregung auf Social Media Prügel-Video aus Karlsruher U-Bahn - das sagt die Polizei

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