Für Berufsschüler Cedric Worch (24 Jahre) ist die Bundestagswahl noch ziemlich weit weg. Wie viele seiner Mitschüler an der Heinrich-Hübsch-Schule in Karlsruhe hat er noch keine Entscheidung getroffen, welche Partei er wählen will. "Ich habe 2021 schon ein Mal bei einer Bundestagswahl gewählt und mache das eigentlich erst eine Woche vorher. Dann schaue ich mir zusammen mit meiner Freundin auf Youtube die Zusammenfassungen von den Wahlprogrammen der Parteien an und informiere mich", meint der angehende Metallbauer.
Bundestagswahl: Viele Jungwähler setzen auf den Wahl-O-Mat
Mitschüler Thomas Steudel (22 Jahre) hat zwar schon "eine Vermutung", welcher Partei er seine Stimme geben will, ist aber noch unentschlossen, "weil ich mit keinem Wahlprogramm hundertprozentig zufrieden bin". Er hofft jetzt auf die Entscheidungshilfe durch den Wahl-O-Mat - ein Informationsangebot der Bundeszentrale für Politische Bildung - der Anfang Februar freigeschaltet werden soll.

Leonie Schechinger (21 Jahre) ist da schon einen Schritt voraus. Sie lernt Vermessungstechnikerin und besucht ebenfalls die Heinrich-Hübsch-Schule in Karlsruhe. "Ich weiß schon, was ich wählen will und habe auch schon Briefwahl beantragt. Verraten wird aber nix, aber mit AfD oder BSW kann ich nichts anfangen", sagt sie. Für sie stehe das Thema Wirtschaft ganz oben auf der Agenda. "Und ich hoffe, dass bei uns Frieden bleibt", meint sie mit Blick auf den Ukraine-Krieg.
Co-Klassenlehrer Paolo Biscosi sorgt sich aktuell um die Informationsquellen, die viele junge Leute nutzen, um sich über Politik und Parteien zu informieren. "Es herrschen viele Meinungen, aber wenig Wissen", so der Fachlehrer im Bereich Metallbau. Er nutze den Gemeinschaftskunde-Unterricht, um seinen Schülern noch etwas politisches Faktenwissen zu vermitteln, damit sie auf die Bundestagswahl besser vorbereitet sind.
Viele Meinungen, aber wenig politisches Wissen.
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Wirtschaft und Zuwanderung als Topthemen bei jungen Leuten
Für fast alle in der Klasse sind Wirtschaft und Zuwanderung die mit Abstand wichtigsten Themen bei der anstehenden Wahl. Erstwähler Jonas Lüppert erhofft sich von einer neuen Regierung "Lösungen, wie wir in Deutschland als Industrieland aus dem Tief wieder raus kommen", so der 19-jährige Dachdecker im ersten Lehrjahr. Er lehne rechts- oder linksradikale Parteien entschieden ab. "Ich tendiere eher zur Goldenen Mitte", so Jonas, er habe sich aber noch nicht endgültig entschieden.
"Wirtschaftspolitik ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiges Thema für unser Land", meint Gllat Boga (27 Jahre). Er glaubt, dass es für die Parteien nach der Wahl "nicht leicht sein wird, die Fehler der Vorgänger von heute auf morgen zu korrigieren. Die Hürden sind groß, vor allem bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, weil es nun mal sehr viele Flüchtlinge in Deutschland gibt", so Boga.

Befragt nach den bevorzugten Parteien, bewegen sich die meisten Berufsschülerinnen und -schüler im Bereich der Mitte bei CDU, SPD, Grünen und FDP. Bei der AfD gehen die Meinungen in der Klasse auseinander, beispielsweise beim Thema Zuwanderung und Flüchtlinge. Für Jungwähler Thomas Steudel ist klar: "Wir brauchen mehr Arbeiter. Dann müssen wir halt die, die nach Deutschland kommen, so schulen, dass es funktioniert. Es bringt auch nichts, wenn wir alle wieder wegschicken, sonst läuft die Wirtschaft auch nicht."
Wir brauchen mehr Arbeiter. Dann müssen wir die so schulen, dass es funktioniert. Weil ohne Arbeiter läuft die Wirtschaft auch nicht.
TikTok als Plattform der junger Wähler
Kevin Kruse ist skeptisch, ob sich nach der Wahl wirklich etwas zum Besseren wendet. "Das fühlt sich alles sehr stagnierend an, ist alles sehr angestaubt, egal ob Schwarz, Gelb oder Grün-Rot, wir haben ja schon alles durch. Der Ruck, dass irgendwas besser wird, der kam bisher nicht", meint der 33-Jährige, der eine Umschulung zum Metalltechniker macht. Im Gegensatz zu den Alt-Parteien sei die AfD die Partei, der es aktuell am besten gelinge, junge Wähler anzusprechen: "Man kann von der AfD halten was man will, aber sie wissen, wie man die jungen Leute erreicht. Und das haben sie richtig gemacht, da haben viele Altparteien einfach nichts für getan", so Kevin Kruse, der eine Umschulung zum Metalltechniker macht. "Sie nutzen Social Media, vor allem TikTok ist die Plattform der jungen Leute, und so kommen sie voran."

Baden-Baden: Jungwähler machen sich Sorgen um die Rente
Die Robert-Schuman-Schule in Baden-Baden ist eine kaufmännische Berufsschule. Bei einer SWR-Umfrage unter Erstwählern berichten viele, dass sie sich erst kurz vor der Wahl meistens über Social-Media-Plattformen wie Instagram oder YouTube über Parteien und ihre aktuellen Inhalte dort informieren. Am wichtigsten sind die Themen Wirtschaft und Rente. Wie die 20-jährige Melissa machen sich viele hier auch angesichts des Fachkräftemangels große Sorgen, wer später mal ihre Rente bezahlen soll. Dazu wünscht sie sich mehr Anerkennung für eine Ausbildung in der Gesellschaft im Vergleich zu einem Studium, das oft mehr Ansehen genieße.
Adrian findet das duale Ausbildungssystem zwar "richtig gut", kritisiert aber die zu geringe Ausbildungsvergütung. "Für uns Azubis wäre eine bessere finanzielle Förderung wichtig. Als Azubi kann man sich davon kaum eine eigene Wohnung leisten. Dazu braucht man auch noch Geld für Lebensmittel, Kleidung und Fahrtkosten."
Die meisten Berufsschülerinnen und Berufsschüler haben noch keine endgültige Wahlentscheidung getroffen. Aber in einem sind sie sicher: dass sie auf jeden Fall wählen gehen wollen.