Geteilte Motivation über Parteigrenzen hinweg

Aufbruch in Hüfingen: Wie eine politisch zerstrittene Stadt neu zusammenfand

Stand
Autor/in
Sebastian Schley
Sebastian Schley ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".
Onlinefassung
Hendrik Huber

Jahrelang herrschten im Hüfinger Rathaus Streit und Stillstand. Dann gab es Wahlen. Seitdem schwärmen die Menschen von Aufbruch und Euphorie. Wie gelang der Stimmungswandel?

Es riecht nach frischer Farbe, im Erdgeschoss des historischen Altenpflegeheims in Hüfingen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Auf einem Gerüst stehen Maler und tünchen die alten Fensterrahmen aus Holz in strahlendes Weiß. Das imposante Gebäude war früher mal ein Fürstenschloss. Doch der ursprüngliche Glanz des geschichtsträchtigen Baus verblasste über die Jahre. Jetzt ändert sich das.

Hüfingen im politischen Aufbruch

"Angepackt, Ärmel hoch, aufwärts", freut sich Markus Komp, der das Heim leitet. Komps Euphorie passt gut in die Grundstimmung, die seit einigen Monaten in ganz Hüfingen zu herrschen scheint. Die Kleinstadt am Rande des Schwarzwalds erlebt gerade einen politischen Aufbruch. Seit Juni gibt es hier nicht nur einen frisch gewählten Gemeinderat, sondern dazu noch einen neuen jungen Bürgermeister. Patrick Haas, 31 Jahre alt, mit CDU-Parteibuch, aber angetreten als parteiloser Kandidat.

Der Heimleiter Markus Komp ist euphorisiert vom Aufschwung in der Stadt Hüfingen.
Der Heimleiter Markus Komp ist euphorisiert vom Aufschwung in der Stadt Hüfingen.

"Man spürt, es ist eine Ehrlichkeit da, es ist eine Zuversicht da", beschreibt Altenheimleiter Markus Komp seine ersten Eindrücke vom neuen Rathauschef - und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: "das haben wir auch schon anders erlebt".

"Grabenkämpfe" und "Stellungskriege"

Wer sich in Hüfingen umhört, muss nicht lange fragen, um zu erfahren, was mit diesem Satz gemeint ist. Der alte Bürgermeister habe der Stadt keinen guten Dienst erwiesen, sagen die Leute unter vorgehaltener Hand. "Politik im stillen Kämmerlein", "abgetaucht", "ohne Impulse", heißt es etwa.

Die Bürger sind satt.

Der frühere Gemeinderat kommt nicht besser weg. Von emotional aufgeladenen Streitereien und regelrechter Zwietracht berichten die Leute in der Stadt. Auch Mitglieder des Gemeinderats erinnern sich noch gut an diese Zeit: "Ich war vor der letzten Wahlperiode tatsächlich so weit, zu sagen: ich höre auf mit der Kommunalpolitik", sagt Kerstin Skodell, die im Gemeinderat die SPD-Fraktion anführt.

"Ganz viele Lagerschlachten. Stellungskriege", ergänzt ihr CDU-Kollege Markus Leichenauer. Das alles vor den Augen der Öffentlichkeit, die zunehmend genervt auf die Streitereien der Kommunalpolitiker reagiert habe. "Die Bürger sind satt", sagt Leichnauer mit ernster Miene - und ein bisschen klingt das auch nach einer Botschaft ans ferne Berlin.

Die Fraktionschefs von Hüfingen treffen sich vor der Gemeindratssitzung.
Die Fraktionschefs von Hüfingen treffen sich vor der Gemeinderatssitzung. Mit dabei sind Kerstin Skodell (SPD), Markus Leichenauer (CDU), Bürgermeister Patrick Haas (CDU-Parteibuch, aber parteilos angetreten) und Michael Steinemann (Freies Forum Hüfingen).

Der Neustart nach den Wahlen

Jetzt ist alles anders. Zumindest in Hüfingen. Neuer Gemeinderat, neuer Bürgermeister - und plötzlich: Aufbruch. "Es gibt neuen Schwung und viel Elan und viel Motivation. Und das ist toll", fasst es eine Frau zusammen, die gerade auf dem Wochenmarkt einkauft. Und ein Herr hofft, "dass sich mehr bewegt als bislang."

Wie ist dieser Stimmungswandel zu erklären? Nicht nur durch neues Personal in den Ämtern, sagen die Fraktionschefs der Gemeinderatsfraktionen übereinstimmend. Vielmehr durch ein Zusammenspiel guter Gelegenheiten: zerstrittene Gemeinderäte haben aufgehört, Konfliktthemen waren abgeräumt und Bürgermeister Haas hat angefangen. Alles beinahe zeitgleich.

Ein Neustart war mit einem Mal möglich. Und auch nötig, sagen die Kommunalpolitiker. "Bisher hat das gut funktioniert, dass wir sehr respektvoll jetzt miteinander umgehen und wir hoffen natürlich, dass das die nächsten viereinhalb Jahre so weitergeht", fasst es Michael Steinemann vom Freien Forum Hüfingen zusammen.

Zurück zur Sachpolitik, über Parteigrenzen hinweg

Und wie erklärt sich der frisch gewählte Bürgermeister seinen Erfolg? Als Studiogast bei "Zur Sache Baden-Württemberg" fasst es Patrick Haas mit einem Wort zusammen: Zuhören. "Dass man die spaltenden Elemente raushält aus der Kommunikation," beschreibt er, und "versucht, das Verbindende zu finden".

Der Hüfinger Bürgermeister Patrick Haas war bei der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" zu Gast.
Im Juni 2024 wurde Patrick Haas mit über 60 Prozent der Stimmen als parteiloser Bürgermeister von Hüfingen gewählt. Am 9. Januar war er bei "Zur Sache Baden-Württemberg" zu Gast.

Im konkreten Rathaus-Alltag heißt das: anstatt bloß für die eigene Agenda zu werben, die Ansichten der anderen verstehen wollen. Man könnte auch sagen: das berühmte "offene Ohr" nicht nur zu behaupten, sondern auch tatsächlich zu haben. Diese Haltung werde schließlich zurückgespiegelt, freut sich der Bürgermeister: "Auch mir wird sehr viel zugehört."

Nach Stillstand und Frust jetzt also Aufbruch und Euphorie. Vielleicht ist das Geheimnis nicht, mit welchen Positionen in Hüfingen seit Neuestem Politik gemacht wird. Sondern: mit welchem Stil. Auch das könnte fast eine Botschaft ans ferne Berlin sein.

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