Sie stehen im Verdacht krebserregend zu sein: chemisch-organische Nitrosamine. Tief unter der Erde, im Bad Friedrichshaller Besucherbergwerk der Südwestdeutschen Salzwerke (SWS), waren sie während der Corona-Sperrung gefunden worden. Die Ursachensuche gestaltete sich schwierig. Jetzt gibt es Entwarnung. Die Nitrosamin-Problematik scheint gelöst: Entsprechende Messungen im Dezember fielen gut aus, deshalb kann das Besucherbergwerk nach fünfjähriger Pause am 1. Mai wieder öffnen.
Abfälle aus Gießereien reagierten mit Abgasen
Die Südwestdeutschen Salzwerke hatten bei einem Pressegespräch zur Wiedereröffnung des Besucherbergwerks in Bad Friedrichshall (Kreis Heilbronn) am Mittwoch mitgeteilt, dass die gefährlichen Nitrosamine unter Tage durch "aminbelastete Abfallstoffe" entstanden sind, so Vorstandsmitglied Natascha Groll. Konkret habe es sich um Abfälle aus Gießereien gehandelt, die inzwischen aber nicht mehr angenommen würden. Diese hätten sich erst unter Tage mit Dieselpartikeln von Fahrzeugen zu Nitrosaminen verbunden.

Das Salzbergwerk ist auch eine Deponie tief unter der Erde
Doch was hat es mit Abfällen im Bergwerk auf sich? Im Salzbergwerk betreibt das Tochterunternehmen Umwelt, Entsorgung und Verwertung (UEV) seit vielen Jahren eine Untertagedeponie. Dort werden ganz verschiedene Abfallarten entsorgt. Auf der UEV-Homepage werden beispielhaft einige Abfallstoffe genannt: etwa Böden mit schädlichen Verunreinigungen, Gießerei-Reststoffe, Schlacken aus Abfallverbrennungsanlagen, Filterkuchen aus der Abwasserbehandlung industrieller Anlagen.
Mit unserem eigenen Equipment und unseren leistungsstarken Partnern sind wir in der Lage, jedes Jahr mehrere 100.000 Tonnen Abfall unter Tage zu entsorgen.
Abfallentsorgung ist ein lukratives Geschäft
Der Nitrosamin-Fall hat den Blick auch auf ein lukratives Geschäft der Salzwerke gelenkt, welches sonst für die Augen der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Mit Abfällen lässt sich gut Geld verdienen. 2023 etwa erreichte das SWS-Segment "Entsorgung" einen neuen Umsatzrekord von 60,3 Millionen Euro.
Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) lag mit 17,2 Millionen Euro laut SWS "auf dem historischen höchsten Wert". Zum Vergleich: Mit dem Segment "Salz" erzielte das Unternehmen 2023 zwar über 265 Millionen Euro Umsatz. Das sogenannte EBIT lag hier bei 24,5 Millionen Euro. Das Segment "Entsorgung" ist damit ein sehr einträgliches Geschäftsmodell für die Salzwerke.
Ständige Messungen in den Bergwerken unter Tage
Die Nitrosamin-Problematik im Salzbergwerk rief auch die Landesbergdirektion mit Sitz in Freiburg auf den Plan. Auf SWR-Anfrage heißt es jetzt, dass das Thema Nitrosaminbelastung nicht nur die hiesigen Salzbergwerke betreffe, sondern auch "weitere Versatzbergwerke außerhalb Baden-Württembergs." Als "Versatz" wird im Bergbau Material bezeichnet, mit dem Hohlräume unter Tage ausgefüllt werden.
Deshalb werde das Thema auch von der Kali- und Salzindustrie intensiv untersucht. "Hier sind verschiedene unabhängige Einrichtungen eingebunden. Die Untersuchungen sind aktuell noch nicht abgeschlossen", teilt eine Sprecherin mit. Die Bildung von Nitrosaminen ist sehr komplex, daher ist die Forschung nach der Ursache ein andauernder Prozess.
Die Südwestdeutschen Salzwerke hätten Untersuchungen durchgeführt, um die Abfälle, die zur Nitrosaminbelastung beitragen können, zu identifizieren. Diese Stoffe sowie Stoffe mit ähnlicher Charakteristik nehme SWS mittlerweile nicht mehr an, stellt die Landesbergdirektion klar. Die gemessene Reduzierung der Nitrosaminbelastung zeigt bereits den Erfolg dieser Maßnahme.

Messungen zu Nitrosaminbelastung sollen weitergehen
Um die Nitrosaminbelastung im Besucherbergwerk in Bad Friedrichshall wieder in den Griff zu bekommen, war allerdings einiges an Aufwand nötig. So wurden die Seitenwände unter Tage intensiv gereinigt. Außerdem wurde laut Vorstandsmitglied Natascha Groll das Bergwerk "extra viel belüftet". Bei den Grenzwerten sei man jetzt "satt darunter". Konkrete Zahlen nannte SWS allerdings nicht.
Laut Landesbergdirektion erfolgen die Messungen durch ein unabhängiges Institut. Die konkreten Messwerte vom Dezember würden der Behörde allerdings selbst noch nicht vorliegen. Auch in Zukunft würden die Messreihen fortgeführt. Während der Nitrosaminbelastung hatten Salzwerkemitarbeiterinnen und -mitarbeiter in den entsprechenden Bereichen FFP-3-Masken zum Schutz tragen müssen.
Noch viel Platz für Abfall
Durch den Salzabbau sind laut UEV bereits Hohlräume von rund 60 Millionen Kubikmetern entstanden und es kommen weitere hinzu. "Diese Hohlräume werden zur Stabilisierung mit geeigneten Materialien verfüllt", heißt es.
Laut Landesbergdirektion sind allein im Jahr 2023 insgesamt knapp eine Million Tonnen Abfälle zur Beseitigung oder Verfüllung unter Tage verbracht worden. Zur Gesamtmenge der dort inzwischen eingelagerten Abfälle nennt die Behörde keine Zahl. Das könne sie "so kurzfristig" nicht ermitteln, heißt es.
Die jeweiligen Abfallstoffe werden beispielsweise in weißen großen Säcken, sogenannten "Big Bags", in den Salzkammern eingelagert und mit Salzrückständen und Salz verfüllt. Auch Stahlfässer oder Stahlcontainer kommen zum Einsatz. Es gibt aber auch Schüttgüter, die nicht in Säcken eingelagert werden müssen. Diese Stoffe werden bis zum "Kammerdach" mit großen Radladern eingefüllt. In einem Imagefilm auf der UEV-Seite gewährt das Unternehmen Einblicke in diese Arbeit.
Am 1. Mai öffnet das Besucherbergwerk wieder
Unter Tage ist die Nitrosamin-Gefahr im Besucherbergwerk Bad Friedrichshall-Kochendorf jetzt wohl erst einmal gebannt. Die Südwestdeutschen Salzwerke gehen nach der fünfjährigen Zwangspause von einem großen Besucherinteresse 2025 aus.
Ab dem 1. Mai können Interessierte einen Blick rund 180 Meter unter die Erdoberfläche werfen. In den Stollen unter Tage gibt es jede Menge Salz zu sehen und unter anderem eine Lasershow. Dort unten lagert inzwischen auch jede Menge Müll. Den bekommen Besucherinnen und Besucher allerdings nicht zu sehen.