Flower-Power in der Musik

Todesblume oder Symbol der Vollkommenheit? Die Chrysantheme

Stand
AUTOR/IN
Sylvia Roth
ONLINEFASSUNG
Sebastian Kiefl

Sie bringt eine ordentliche Portion Melancholie mit, wird häufig sogar als 'Todesblume' bezeichnet. Vielleicht, weil ihre Haupt-Blütezeit in den Herbst fällt – mit Vergänglichkeit kennt sie sich aus: die Chrysantheme.

Audio herunterladen (11,2 MB | MP3)

Novembernebel statt Abendsonne

China ist zwar die Wiege der Chrysantheme, eine Karriere als Nationalblume hat sie aber in Japan gemacht. Das Wappen des japanischen Kaiserhauses ist eine 16-blättrige Chrysanthemenblüte – Symbol der Vollkommenheit.

Wappen der japanischen Kaiserfamilie
Die Chrysantheme ist in Japan das Symbol des Kaiserhauses und wird auch als Staatswappen verwendet.

Im Japanischen heißt die Chrysantheme 'Kiku', 'Abendsonne' – der japanische Komponist Toru Takemitsu verknüpft sie allerdings eher mit dem November-Nebel. „Weit von Chrysanthemen und November-Nebel“ heißt Takemitsus Komposition – eine melancholische und fragile Botschaft aus einer kalten Zeit.

Blümliche Geisha

Japan und die Chrysanthemen – auch für die europäischen Komponisten eine Symbiose. 1893 vertonte André Messager die lyrische Komödie „Madame Chrysanthème“. Die Geschichte einer japanischen Geisha, die eine Ehe auf Zeit mit einem französischen Seemann eingeht.

Ähnlichkeiten mit Puccinis „Madama Butterfly“ sind nicht zufällig, sondern logisch, denn die beiden Stücke basieren auf der selben Vorlage.

Wunderschöne Todesblume bei Puccini

Im 19. Jahrhundert breitete sich die Chrysantheme auch in Europa aus. Inzwischen gibt es mehr als 40 verschiedene Arten von ihr. In Europa steht vor allem die weiße Chrysantheme für den Tod, häufig findet man sie in Grabgestecken.

Zum Gedenken an einen verstorbenen Freund komponierte Giacomo Puccini ein tief berührendes Streichquartett mit dem Titel „Crisantemi“. Mit der legischen Melodik und schmerzvolle Seufzern hat Puccini diese Musik später auch für den Tod seiner Opernheldin Manon Lescaut verwendet.

Doch trotz aller Tragik kann die Chrysantheme mehr als Melancholie, sie hat sogar eine herzhafte Seit, denn in Asien werden ihre Blüten gern zur Dekoration von Mahlzeiten genutzt und häufig einfach mitgegessen.

Die Blütenkörbe werden in Essig mariniert und genossen, auch ein Öl wird aus der Chrysantheme gewonnen. Außerdem kann man einen aromatischen Tee aus ihr zubereiten.

Chrystanthemen in durchsichtiger Tasse
Bestimmte Sorten der Chrysantheme sind sogar essbar oder lassen sich als Tee genießen.

Mit derart kostbaren Ingredienzen ausgestattet, besitzt die Chrysantheme ein stabiles Immunsystem und erträgt selbst das schmuddeligste Herbstwetter ohne Klagen. Der Komponist Jules Massenet hat sie deshalb weit über die Rose gestellt und als die „bessere Liebes-Blume“ gepriesen. Die Chrysantheme könne auch ohne Sonne blühen, strahle auch in dunklen Zeiten – das sei wahre Liebe.

 

Viele Blütenblätter mit ebenso vielen Facetten, bisweilen zeigt die Chrysantheme sich sogar richtig unbeschwert, zum Beispiel tanzend zum 'Vals Crisantemo' des kubanischen Komponisten Ernesto Lecuona. Es klingt nach purer Lebensfreude. Ab und zu muss eben auch eine Herbstblume einfach mal den Sommer in die Seele lassen.

Flower Power in der Musik

Flower-Power in der Musik Die Sonnenblume: Blumige Sympathieträgerin bei Stölzel, Strauss und Joplin

Ein rundes, offenes Gesicht, strahlend und freundlich – die Sonnenblume ist eine echte Sympathieträgerin! Sie entlockt selbst den griesgrämigsten Gemütern noch ein Lächeln.

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Flower-Power in der Musik Das Maiglöckchen: Gesellig oder schwermütig bei Pejačević, Mendelssohn und Wikander

Eine Blume, die die Glöckchen bereits im Namen hat – perfekte musikalische Steilvorlage! Das Maiglöckchen: muss das nicht genau so klingen wie bei Dora Pejačević?

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Flower-Power in der Musik Die Nelke: Revolutionssymbol mit stürmischem Charakter

Als Ausgeburt des Spießbürgerlichen wird sie verspottet und in eine Linie mit dem Gartenzwerg gestellt. Das hat die arme Nelke wirklich nicht verdient.

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Flower-Power in der Musik Die Lilie: Königlich, unschuldig und vergänglich bei Vivaldi, Albioni und Lehmann

Sie ist zu schön, um wahr zu sein. Anmutig, nobel und unnahbar schwebt sie über den Dingen – ein Bild der Makellosigkeit und Eleganz: Celeste Giglio – gefeierte Lilie!

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Blumige Themen für den Sommer

Essay „Flower Power“ Sound of Plants – Wie Pflanzen zu Musik werden

Der Klang der Pflanzen erzählt von ihrer Lebendigkeit. Das ist nicht Esoterik, sondern eine notwendige Veränderung unserer Weltwahrnehmung.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower Power“ Wurzeln schlagen: Von der Freiheit, einen Ort zu haben

Pflanzen sind schön, nützlich und ein Wunder der Verwandlung. Was sie aber nicht sind: die besseren Menschen. Was wir aber durchaus von ihnen lernen sollten: Wurzeln schlagen und Sorge tragen.

SWR2 am Morgen SWR2

Gespräch „Wir müssen uns nicht gegen alles wappnen!“ – Wie die Natur uns berühren kann

Es ist ein Feld, von dem bisher nur wenig berichtet wurde: Die erotische Ökologie. Dabei kann die Natur uns Menschen in dieser Hinsicht noch viel beibringen, sagt Biologe und Philosoph Andreas Weber.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay Flower-Power Unkraut vergeht nicht – Von fiesen Flechten, bösen Blumen und fantastischen Pflanzen im Film

Das Kino erinnert uns daran, dass auch die Natur der Pflanze keineswegs nur gut ist. Im Gegenteil: Über die Zeit liefern Filme Beispiele dafür, wie zerstörerisch Blumen und Bäume sein können.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower-Power“ Schönheit als Ware – Warum Supermarkt-Rosen systemrelevant sind

Pflanzen sind nicht einfach Pflanzen. Kommen Sie als Schnittblumen daher, haben sie durchaus eine soziale Bedeutung, sind sogar systemrelevant. Dabei hat das kapitalisierte Bedürfnis nach Schönheit einen reichlich toxischen Markt geschaffen.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower Power“ Schau! Mich! An! – Die erotische Verlockung der Pflanzen

Die vergehende Blüte als Zeichen der Vergänglichkeit - der Mensch liest in den Pflanzen gerne das, was er in ihnen lesen will. Einfach nur hinsehen, empfiehlt stattdessen Autorin Julie Metz. Zu gewinnen sind: Unverblümte Verlockung und die Erinnerung an Sinnlichkeit und Sex.

SWR2 am Morgen SWR2

Stand
AUTOR/IN
Sylvia Roth
ONLINEFASSUNG
Sebastian Kiefl