George Saunders: Fuchs 8 (Foto: Luchterhand Verlag)

Buch der Woche

George Saunders - Fuchs 8

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Anja Höfer im Gespräch mit Frank Hertweck

Fuchs 8 ist ein bisschen anders als die Füchse, die wir bislang aus Tierfabeln kennen: Er ist nicht besonders gerissen, sondern eher ein Träumer, außerdem hat er aus Neugier die menschliche Sprache erlernt, weil sie für ihn wie Musik klingt.

Fuchs 8, der Träumer, muss aktiv werden, um seine Fuchsfamilie zu retten, und macht sich auf den Weg zu den Menschen.

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In Fabeln ist der Fuchs als hinterlistiges Tier bekannt

Als Fabeltier kennen wir den Fuchs als besonders hinterlistigen Gesellen: immer auf seinen Vorteil aus.

Bei dem Amerikaner George Saunders, der mit dem Roman „Lincoln im Bardo“ vor zwei Jahren auch in Deutschland einen großen Erfolg hatte, lernen wir jetzt einen etwas anderen Fuchs kennen.

Autor George Saunders (Foto: Pressestelle, Damon Winter / Redux / Laif)
Autor George Saunders

Fuchs 8 ist jedoch ein freundlicher Geselle

Einen sehr freundlichen, etwas verträumten Helden mit viel Gemeinschaftssinn - und mit einem Faible für die menschliche Sprache.

Natürlich reißt auch Fuchs 8 mal ein Huhn, aber nur wenn es seine Zustimmung gegeben hat - was für Fuchs 8 schon der Fall ist, wenn das Huhn nicht wegläuft. Einen „fairen Deal“ nennt er das. Schlau und zugleich ein bisschen naiv ist der Held in dieser hinreißenden Geschichte von George Saunders.

Der Fuchs kennt die beiden Gesichter des Menschen

Er mag die Menschen, weil er an ihren offenen Fenstern gelauscht hat, wie sie ihren Kindern Gute-Nacht-Geschichten erzählen  - und das gefiel ihm so gut, dass er „Mänschisch“ gelernt hat - so nennt er das.

Weil er aber auch die grausamen, bestialischen Seiten der Menschen kennen gelernt hat, wendet er sich jetzt in einem Brief an sie:

„Liebe Leserinen und Leser:
Zuers möchte ich sagen, Entschuldigung für alle Wörter di ich falsch schreibe. Weil ich bin ein Fuks! Und schreibe und buchstabire nich perfekk.“

Saunders ist ein wahrer Sprachkünstler

So fängt dieses kleine Buch an, in dem George Saunders einem Fuchs eine sehr menschliche Stimme gibt. Das ist nicht nur unglaublich komisch, sondern auch ziemlich herzergreifend und lehrreich - wie es sich für eine Fabel gehört.

George Saunders hat schon in seinem wunderbaren Roman „Lincoln im Bardo“ gezeigt, was für ein großer Sprachkünstler er ist: Mehr als 60 unterschiedliche Stimmen hat er da zu einem fulminanten Chor orchestriert.

Frank Heibert liefert eine großartige Übersetzung

Jetzt lässt er einen Fuchs in einem urkomischen Idiom sprechen und in einer irrwitzigen Orthographie schreiben: „Bäume“ zum Beispiel „Boime“. Und „Eier“: „Aja“: wie man’s eben spricht.

Frank Heibert hat das meisterhaft in ein schräges Deutsch übertragen.

Die Bäume und die Eier aber werden genau zum Problem: Denn die Fuchsgemeinde verliert ihren Lebensraum, den großen Wald, und damit auch ihre Nahrungsquellen.

Der Wald muss einer Shopping Mall weichen

Die Bäume müssen einer gigantischen Shopping Mall weichen, die zynischerweise den Namen „Fuchsblick-Center“ erhält. Und weil der große, alte Fuchsführer schon resigniert hat, schwingt sich Fuchs 8, der Träumer mit Gemeinschaftssinn, zum Retter der Gruppe auf.

Er wagt sich gemeinsam mit seinem Kumpel Fuchs 7 auf einen Beutezug an die reichhaltigen Theken der neuen Shopping-Mall. Und begibt sich dabei in Lebensgefahr.

Der Mensch zeigt seine grausame Seite

Für Fuchs 7 endet der Ausflug tödlich. Fuchs 8 muss schmerzhaft erkennen, dass Menschen eben nicht nur freundliche Wesen sind, die ihre Kinder sehr liebevoll ins Bett bringen, sondern dass sie ebenso zu wahren Bestien werden können.

Der Schock sitzt tief. Fuchs 8, ganz Humanist, schreibt eben jenen Brief an die Menschen, in dem er seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, dass es vielleicht doch gut ausgehen könnte - für die Menschen, aber natürlich auch für die Füchse.

Der Fuchs ruft zu Mitgefühl und Liebe auf

Fühlende, endliche Wesen sind wir alle, so die anrührende Botschaft von Fuchs 8: Müssen wir uns tatsächlich voller Hass die Köpfe einschlagen - oder sind wir nicht alle auch zu Liebe, Güte und Mitgefühl fähig?

Um diese elementare Frage ging es auch schon in Saunders' Totenreichroman „Lincoln im Bardo“, hier kleidet er sie in eine kleine, herzerweichende Fabel.

Aus dem Fuchs wird ein Schriftsteller

Denn auch Fuchs 8 ist - auf seine etwas ungewöhnliche Art - ein Schriftsteller und weiß, dass man vor allem mit Hilfe der Literatur Empathie lernen kann:

„Ein guter Schreiber sorgt dafür, das der Leser sich so schlecht fült wi der Mensch in der Geschichte. Der Schreiber wird dafür sorgen, das ir oich so schlecht fült wie Aschenputel. Ir seit traurig, weil ir nich auf den Ball gehen könnt. Und sauer, weil ir fegen müsst. Ir wollt am libsten di Stiefmutter in ir Kleid beisen.“

Ein weiser Rat steht am Ende der Fabel

Und so, wie wir mit Aschenputtel fühlen, fühlen wir auch mit Fuchs 8, der irgendwie menschlicher erscheint als die Menschen. Sein weiser Rat zum Schluss:

„Wenn ir wollt, das oire Geschichten ein Happy Ent haben, seit einfach mal ein bisschen netter.“

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Anja Höfer im Gespräch mit Frank Hertweck