Stefan Heym - Flammender Frieden (Foto: Pressestelle, C. Bertelsmann | ©Antonisse, Marcel / Anefo / Nationalarchiv der Niederlande, CC0)

Buchkritik

Stefan Heym – Flammender Frieden

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AUTOR/IN
Carsten Otte

Der erstmals ins Deutsche übertragene Roman „Flammender Frieden“ von Stefan Heym spielt in Algerien zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: Ein amerikanischer Agent sucht einen deutschen Wehrmachtsoffizier und dazwischen steht eine Femme fatale. Ein klassisch gebauter Kriegsthriller, durch den ein Hauch von „Casablanca“ weht.

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Ende des Zweiten Weltkrieges: die Fronten verschieben sich

Algerien im Winter 1942. Fernab der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs bröckeln die Fronten der deutschen Wehrmacht. In Algier etwa sind amerikanische Truppen gelandet, und nun kämpfen drei Mächte um die Vorherrschaft in Nordafrika. Neben den USA und dem NS-Reich verfolgen die ehemaligen Kolonialherren noch immer höchst zweifelhafte Eigeninteressen. Als Vertreter des französischen Vichy-Regimes haben sie mit den Nazis kollaboriert, jetzt versuchen sie sich mit den Amerikanern gutzustellen. Was die deutschen Statthalter in Algerien zunächst kaum glauben können.

„Was hier geschah, war kein Piratenüberfall, sondern eine ausgewachsene, von langer Hand vorbereitete Invasion. Um sie so überraschend durchführen zu können, war die Kooperation von mindestens einem Teil der französischen Armee nötig gewesen.“

Heim spiegelt mit wenigen Figuren die politische Großwetterlage

Stefan Heym weiß in seinem Roman „Flammender Frieden“ aus der unübersichtlichen Gemengelage – in der interessanterweise die einheimische Bevölkerung kaum eine Rolle spielt – einen Machtkampf von nur wenigen Figuren zu spinnen.

Protagonist der Geschichte ist der aus Deutschland stammende Agent Bert Wolff, der einst in Spanien gegen die Faschisten kämpfte und nun als Mitarbeiter des US-Geheimdienstes deutsche Gefangene verhört. Er ist vor allem hinter dem gewieften Generalstabsoffizier Ludwig von Liszt her, der ihm im Laufe des Krieges immer wieder entwischt. Bert Wolff ist ein Intellektueller, einer, der sich fragt, wie weit er gehen darf, um an die richtigen Informationen zu gelangen. Der Zweifel macht diese Hauptfigur stark. Er hat ein Gespür für die politischen Konflikte und weiß genau, dass er sich in Nordafrika „auf gefährlichem Grund“ bewegt.

„‘Wir sind hier (…) in einem Land mit latenten Konflikten zwischen Eingeborenen und Kolonisten, mit sozialen Brüchen, die viel tiefer als in den Vereinigten Staaten reichen.‘“

Als Vertreter der ehemaligen französischen Kolonialmacht fungiert ein windiger und machtbewusster Franzose namens Jules Marie Monaître. Und zwischen all den Militärmännern steht eine attraktive Frau namens Marguerite Fresneau, die ihre Gunst entsprechend den jeweiligen Machtverhältnissen zu verteilen weiß. Derzeit pflegt sie noch eine Liaison mit dem hochintelligenten Zyniker Liszt, dann aber schlägt das Schicksal zu: Ein Kampfbomber-Pilot verliert die Kontrolle über seine Maschine, stürzt in eine Kirche und zerstört auch umliegende Gebäude. In diesem Chaos lernt Bert Wolff jene Dame kennen, die keineswegs als professionelle Krankenschwester unterwegs ist, den Verletzten jedoch umgehend hilft. Diese Hilfsbereitschaft schindet bei Wolff großen Eindruck, und auch Marguerite ist von dem freundlichen US-Soldaten fasziniert – wie uns die allwissende Erzählstimme umgehend mitteilt:

„Ihr gefiel dieser amerikanische Lieutenant. Er wirkte jung und formbar, eine Abwechselung gegenüber den rigorosen Forderungen von Liszt.“

Marguerite, deren Motive lange Zeit im Dunkeln bleiben, erzählt nichts von ihrem prominenten und rachsüchtigen Liebhaber. Sie ahnt wohl, dass Liszt auf der Fahndungsliste der Amerikaner steht. Aber anstatt auf Distanz zum neugierigen Bert Wolff zu gehen, beginnt sie ein Gespräch, aus dem bald ein Flirt und schließlich ein handfester Loyalitätskonflikt entsteht.  

„Seit Marguerite mit Liszt zusammen war, hatte sie keine Gelegenheit mehr gehabt, jemanden zu becircen; und das vermisste sie sehr. Sie kam sich wie ein Biber vor, der seine Zähne auch dann gebrauchen muss, wenn er gerade nicht meinem Bau beschäftigt ist. Mein kleiner Lieutenant, dachte sie, mein armer kleiner Lieutenant.“

Der Handlungsverlauf bietet wenig Überraschendes

Ein Hauch von Casablanca weht durch diesen Roman, und es nicht nur der zuweilen schnulzige Stil, der die Lektüre von „Flammender Frieden“ mühsam macht.

Spätestens nach 100 Seiten wissen wir, dass sich nicht nur die politische Konfrontation in Nordafrika, sondern eben auch die Dreiecksgeschichte zuspitzt. Bert Wolff wird den deutschen Offizier, der nicht nur sein politischer Gegenspieler ist, nach diversen Maskeraden enttarnen und festnehmen. Überraschend immerhin, dass der Protagonist nicht nur die militärische Strategie, sondern auch seine Rolle als sehnsüchtiger Mann reflektiert.

„Heute brauchte er die Gesellschaft einer Frau. Er wollte eine mit weicher Stimme und verständnisvollem Blick, schön und sanft, mit Händen, die ihn den Druck von der Stirn nahmen und Lippen, die ihn zur Ruhe finden ließen. Wenn er unglücklich war oder verstört, beschwor er immer wieder diese Traumfrau herauf – was ziemlicher Unsinn und auch blöd war, da es keine reale, Trost spendende Frau mit den Hirngespinsten seiner Fantasie aufnehmen konnte.“

Stefan Heym verarbeitet seine eigene Situation als amerikanische GI

Stefan Heym veröffentliche „Of Smiling Peace“ – wie der Originaltitel lautet – im Frühjahr 1944. Da war Heym, der fast zehn Jahre zuvor Deutschland verlassen musste, gerade als amerikanischer Soldat in Frankeich gelandet. Der schreibende GI spiegelt sich offensichtlich in seiner brüchigen Hauptfigur, die grundlegende Fragen stellt: Was ist die historische Wahrheit? Heiligt der Zweck die Mittel? Wie lässt sich Demokratie in Ländern durchsetzen, die diese Staatsform gar nicht wollen?

Ein Roman, eher von historischem und literaturwissenschaftlichem Wert

So schwergewichtig das Thema, so durchschaubar die Dramaturgie, so begrenzt die Ästhetik dieser Unterhaltungsliteratur. Interessant ist das Buch eher im historischen Kontext, vielleicht sogar im Vergleich ähnlicher Kriegsromane, die für das amerikanische Publikum in dieser Zeit geschrieben wurden – und für Germanisten, die wissen möchten, wie sich der Schriftsteller Heym entwickelt hat.

Tatsächlich hielt der Autor selbst „Of Smiling Peace“ viele Jahrzehnte später für nur „wichtig für mich, aber nicht für den Leser von heute“. Auch deshalb übersetzte er dieses Frühwerk später nie ins Deutsche, während er viele seiner auf Englisch verfassten Bücher sehr wohl in die Muttersprache übertrug.

Zudem kam 1948 sein millionenfach gedrucktes Weltkriegsepos „The Crusaders“ heraus, das in Westdeutschland unter dem Titel „Bitterer Lorbeer“ publiziert wurde. Heinrich Böll hielt diesen Roman für eines „der besten und bedeutendsten Kriegsbücher“.

Dieser Bestseller, der dem Autor literarischen Ruhm einbrachte, geht auch inhaltlich weit über „Flammender Friede“ hinaus und erzählt, wie die Befreier von einst im aufziehenden Kalten Krieg ihre Ideale verraten haben.

Der C. Bertelsmann Verlag, in dem das Werk Heyms seit Jahrzehnten erscheint, feiert „Flammender Friede“ als „große Entdeckung“. Das ist sicherlich übertrieben. Das hiesige Publikum, das vor allem Heyms späte Romane kennt, etwa „Collin“, die gewitzte Abrechnung mit dem Stalinismus in der Verpackung eines morbiden Klinikromans, wird zwar einzelne Motive und Figurentypen wiederentdecken, doch insgesamt gibt „Flammender Frieden“ nur begrenzt Auskunft über die literarische Kunst des späteren Jahrhunderterzählers.

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Carsten Otte