Geschichte der Buchhandlung von Julie Gastl

Bloch, Jens und Mayer – Tübinger Buchhandlung war Intellektuellen-Treffpunkt in den 70er-Jahren

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Eva Marburg

Der ehemalige Tübinger Rhetorikprofessor Gert Ueding schreibt in seinem neuen Buch über die wissenschaftliche Buchhandlung von Julie Gastl in Tübingen, die in den 1970er-Jahren zum Hotspot der geistigen Elite wurde. Dort trafen sich der Philosoph Ernst Bloch, der Rhetoriker Walter Jens und der Germanist Hans Mayer, um über „Gott und die Welt“, aber auch über Politik und Kultur zu debattieren.

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Auch Marcel Reich-Ranicki und Rolf Hochhuth kamen vorbei

Immer wieder kamen Gäste dazu: „Walter Jens brachte Marcel Reich-Ranicki mit – mit dem er befreundet war –, Ernst Bloch den Kunsthistoriker Hans Holländer und Rolf Hochhuth kam von selbst, als er gehört hatte, dass bei Julie Gastl was los war“, erzählt Gert Ueding.

Literaturkritiker Prof. Dr. Gert Ueding (Foto: IMAGO, IMAGO / Rau)
Der eremetierte Literaturprofessor Dr. Gert Ueding

Konkurrenzgefühle innerhalb der Herrenriege

Allerdings gab es auch unterschwellige Konkurrenzgefühle unter den Herren, vor allem zwischen Walter Jens und Hans Mayer: „Bei der Beerdigung von Bloch ist das zum Ausbruch gekommen. Beide, Mayer und Jens wollten die Grabrede halten. Als die Familie von Bloch sich für Jens entschied, hat das das Verhältnis zwischen Mayer und Jens fast zerbrechen lassen“, so Ueding.

Die philosophisch hochgebildete Gastgeberin Gastl debattierte mit

Julie Gastl, die Eigentümerin der Tübinger Buchhandlung, sei als philosophisch hochgebildete Frau eine kompetente Gesprächspartnerin gewesen: „Sie plante, im Hintergrund zu bleiben. Da hat Bloch von Anfang an gesagt: Entweder du machst mit oder wir lassen das Ganze!“, berichtet Ueding.

Das Buch „Bloch, Jens und Mayer – Die Tischgesellschaft der Julie Gastl“ sei zwar insgesamt eine Fiktion, aber viele Gespräche von damals seien wirklich so gelaufen wie im Buch geschrieben.

Universität Tübingen – auch heute noch intellektuelle Keimzelle?

Zwar sei die Universitätsstadt noch heute die erste Adresse unter deutschen Unis, aber: „das Exzellenzwesen beeinflusst auch auf ungute Weise das geistige Leben an der Uni. Man konzentriert sich zu sehr auf den Erwerb von Forschungsmitteln, sodass viele geistige Gebiete zu kurz kommen“, resümiert Ueding. Genau die möchte er mit seinem Buch nun weitergeben.

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