Cover des Buches Anna Kim: Geschichte eines Kindes (Foto: Pressestelle, Verlag: Suhrkamp)

Platz 1 (116 Punkte)

Anna Kim: Geschichte eines Kindes

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Mit ihrem neuen Roman ist die in Südkorea geborene und heute in Wien lebende Schriftstellerin Anna Kim sowohl für den Deutschen als auch den Österreichischen Buchpreis nominiert. Aufgrund ihrer eigenen Biografie weiß die Autorin genau, was es bedeutet, Identität, Migrationshintergrund und Fremdheitsgefühle quasi von außen zugeschrieben zu bekommen. Und genau davon handelt ihr neuer, mittlerweile dritter Roman.

Im Januar 2013, damit beginnt das Buch, reist die Ich-Erzählerin Franziska nach Wisconsin, um dort ein Stipendium als Writer in Residence anzutreten. Sie findet Unterkunft bei einer älteren Frau, die mittlerweile allein in ihrer Wohnung lebt, weil ihr Ehemann Danny nach einem Schlaganfall pflegebedürftig ist und in einem Heim untergebracht wurde.

Diesem Mann, Daniel, ist der zweite Strang der Erzählung gewidmet, den Franziska in Form von Aktennotizen des Sozialdienstes aus dem Jahr 1953 rekonstruiert. Daniel Truttman, so sein voller Name, ist der Sohn einer weißen Mutter und eines afroamerikanischen Vaters, dessen Namen die Mutter nicht verraten möchte. Das Kind gibt sie unmittelbar nach der Geburt zur Adoption frei.

Die mit dem Fall betraute Sozialarbeiterin wiederum stammt aus Österreich und denkt noch immer in den Schablonen der rassistischen Anthropologie, die einst im NS-Staat galten und die in der US-Provinz der 1950er Jahre weiterhin Zustimmung finden. Die übereifrige Angestellte macht sich daran, den Vater des dunkelhäutigen Kindes zu suchen. Schließlich, so ihr Argument, hätten die Adoptiveltern ein Recht darauf zu wissen, welcher „Rasse“ ihr Kind angehöre.

Auf bedrückende und zugleich kunstvolle Weise erzählt Anna Kim davon, wie politisch-gesellschaftliches Handeln in das Schicksal eines Menschen eingreifen kann. Und wie stark rassistische Denkmuster bis heute den Blick auf Menschen prägen.

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AUTOR/IN
SWR