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Yevgeniy Breyger: Gestohlene Luft

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Der Titel von Yevgeniy Breygers Gedichtband stammt von einem Satz des russischen Dichters Osip Mandelstam, nach dem jene literarischen Werke, die ohne offizielle Genehmigung des Staatsapparates entstanden seien, gestohlene Luft seien.

Allein schon durch diese Setzung erhält die Lyrik des in Charkiw geborenen und in Frankfurt am Main lebenden Dichters eine klare Kontur. Sechs Zyklen sind in „Gestohlene Luft“ zusammengeführt. Besonders bemerkenswert ist dabei der Zyklus „Königreiche“, für den Breyger bereits 2019 den renommierten Darmstädter Leonce-und-Lena-Preis erhalten hatte.

Seine Gedichte sind streng vierstrophig gebaut, motivisch eng miteinander verzahnt, setzen aber immer wieder neue Schwerpunkte, verlagern die Betonungen, weichen aus in mythische Themenkreise, um dann in die Gegenwart zurückzukehren. Es seien, so hat Breyger selbst es einmal formuliert, mehrere Ichs, die er mit sich herumtrage.

Zum einen ist es die Familiengeschichte, Kindheitserfahrungen und auch Traumata, die hier in Sprache gebannt werden; zum anderen sind es aber auch literaturhistorische Anklänge, mit denen Breyger, Absolvent des Studienganges Kreatives Schreiben in Hildesheim und des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig, neue Ebenen einzieht und Falltüren in die Wirklichkeit einbaut.

So kann das klingen:

Kein Brot mehr im Haus. Demut macht eitel.
Sie schält in der Küche Gräten vom Fisch, singt
ein Grußwort ins Meer. Im Krieg spielen Knochen
die Rolle von Grüßen, wird ihr bewusst.

Lesearbeit, die belohnt wird.

Buchkritik Yevgeniy Breyger – Gestohlene Luft

SWR-Literaturchef Frank Hertweck empfiehlt „Gestohlene Luft“ von Yevgeniy Breyger, ein schmaler und sehr vielfältiger Gedichtband. Breygers Lyrik bewegt sich zwischen zwei Ichs: Eines ist durch erlebte Gewalt der Vergangenheit traumatisiert, das andere ist kreativ und spielerisch.
Verlag kookbooks, 72 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3948336080

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