Platz 10 (30 Punkte)

Übersetzt aus dem Tschechischen von Eckhard Thiele

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Jiří Weil wurde im Jahr 1900 in Böhmen geboren, studierte in Prag Philologie und wurde mit einer Arbeit über das Werk Gogols promoviert. Der überzeugte Kommunist lebte von 1933 bis 1935 in der Sowjetunion, bevor er 1937 aufgrund seines Romans „Moskau, die Grenze“, der den stalinistischen Terror bereits früh thematisierte, aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wurde. Der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entging Weil durch einen vorgetäuschten Suizid. Nach dem Krieg arbeitete er am Jüdischen Museum in Prag, wurde aber mit einem Publikationsverbot belegt, das erst 1956 aufgehoben wurde. Weil starb 1959 an Leukämie und gilt heute als ein Klassiker der tschechischen Literatur.

Eckhard Thiele hat Weils Roman nun in eine deutsche Neuübersetzung gebracht. Die Handlung setzt ein mit dem Befehl Reinhard Heydrichs, Reichsprotektor im Protektorat Böhmen und Mähren, die Statue des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy vom Dach des Konzerthauses Rudolfinum zu entfernen. Weil die mit der Aufgabe betrauten tschechischen Arbeiter den jüdischen Komponisten nicht erkennen, wählen sie, der Ideologie folgend, die Statue des Mannes mit der größten Nase aus: Richard Wagner. Der Abriss kann soeben noch verhindert werden.

Doch so humoristisch der Auftakt auch ist, so eindringlich schildert Weil im Folgenden die deutsche Besatzung der Stadt Prag, die Brutalität der SS, die Deportationen, die Schikanen. „Mendelssohn auf dem Dach“ stellt der deutschen Barbarei die Bedeutung von Kunst und Kultur entgegen. Ein Lichtstrahl inmitten der Ausweglosigkeit.

Zum Autor:

Jiří Weil, geboren als Sohn eines jüdischen Rahmenmachers im böhmischen Praskolesy, studierte und promovierte an der Karls-Universität in Prag. Vom Kommunismus begeistert, ging er 1933 nach Moskau, um dort als Journalist und Übersetzer marxistischer Literatur zu arbeiten. Nach dem Ausschluss aus der Partei und der Deportation nach Mittelasien im Zuge der ersten stalinistischen Säuberungen kehrte Weil 1935 nach Prag zurück.

Als 1939 die sogenannte Resttschechei von den Nationalsozialisten besetzt wurde, konnte er der Verfolgung nur durch einen vorgetäuschten Selbstmord entgehen.

In der Nachkriegszeit war Weil Mitarbeiter am Jüdischen Museum in Prag. Er arbeitete zudem als Redakteur und Autor, war in seiner schriftstellerischen Tätigkeit durch ein siebenjähriges Publikationsverbot jedoch stark eingeschränkt. Jiří Weil wurde 1956 rehabilitiert, starb aber bereits drei Jahre später an Leukämie.

Für bedeutende Schriftsteller wie Josef Škvorecký, Ladislav Fuks, Ivan Klíma oder Jiří Kolář wurde Jiří Weil zum Vorbild. Heute gilt er als Klassiker der neueren tschechischen Literatur. Die stalinistischen Säuberungen und den nationalsozialistischen Terror hat Weil in Romanen wie »Moskau – Die Grenze« (1937) oder »Leben mit dem Stern« (1949) eindrucksvoll verarbeitet.

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SWR