Ausstellung

See you in Hell: Black Metal in Norwegen

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AUTOR/IN
Anja Höfer

Zu viel „Hygge“ im Land der Holzhäuser? Das düstere Genre Black Metal konnte jedenfalls in Norwegen ab den 80er Jahren gut gedeihen. Eine Ausstellung in der Osloer Nationalbibliothek erzählt jetzt die spannende Geschichte des Blackmetal in Norwegen von den Anfängen bis heute.

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Mayhem waren 1987 die Pioniere des Black Metal

Gleich am Eingang taucht man ein in einen dunklen Wald aus Klängen: Zu hören sind Intros aus bekannten norwegischen Black Metal Alben. Seltsam raunende Gesänge. Black Metal.

Die Musik gibt natürlich auch die Farbe vor: Die Wände sind schwarz gestrichen, der Besucher wird quasi vom Dunkel verschluckt. Die Stimmung ist „skummelt“: das norwegische Wort für unheimlich. In den Vitrinen dann kleine Spots auf die Exponate, die die Geschichte dieser Musikrichtung in Norwegen erzählen.

Am Beginn steht das Album „Deathcrush“ der norwegischen Band Mayhem.1987 erschien „Deathcrush“ und gilt heute als Meilenstein der Rockmusik und als Initialzündung für die norwegische Black-Metal-Bewegung.

Eine Anti-Bewegung gegen den paternalistischen Staat

In der „Hölle“ kamen sie alle zusammen: „Helvete“ nannte sich der Plattenladen in der Osloer Innenstadt, gegründet Anfang der 90er Jahre vom Gitarristen der Band Mayhem. In der Osloer Ausstellung ist die Original-Eingangstür von „Helvete“ zu sehen, authentisch verstaubt und bekritzelt.

Mit der Entdeckung des Nordsee-Öls kam ab den 70er Jahren ein ungeahnter Wohlstand über Norwegen. Und der sorgte für das bis heute verbreitete Bild einer sehr egalitären und befriedeten Gesellschaft. So viel „Hygge“, dass es aus kaum auszuhalten ist?

Jedenfalls gedieh in den 80er Jahren eine Art Anti-Bewegung gegen einen allzu paternalistischen Staat und eine wohlstandsgesättigte Biederkeit, erzählt Kurator Tomas Alkärr.

Black Metal ist geprägt von düsteren Motiven

Die Mainstream-Kultur in den 80er Jahren war nicht besonders interessant für die, die sich als Außenseiter fühlten. Und viele der Initiatoren der norwegischen Black Metal Szene empfanden sich definitiv als Außenseiter. Wenn irgendwer „ja“ sagte – dann sagten sie „nein“. Wenn du Dinge aufgreifst, die die Durchschnittsgesellschaft ablehnt: das macht dich zum Außenseiter.

 Oslo und Bergen wurden in den frühen 90er Jahren zu europaweiten Zentren einer extremen Heavy-Metal-Subkultur. Die Texte von Bands wie Darkthrone, Emperor, Cadaver, Dimmu Borgir oder Burzum greifen die bekannten Themen und Motive auf.

Der Tod ist omnipräsent, es geht um Einsamkeit und Isolation, um das Satanische und Okkulte. Aber auch die mystisch anmutende norwegische Landschaft spielt eine wichtige Rolle, unheimliche Märchenmotive - oder die Pest, die das Land zum ersten Mal im 14. Jahrhundert heimsuchte.

Innerhalb der Szene kam es zu Mordfällen

Von all den üblen Dingen, die Künstler und Musiker auf der ganzen Welt inspirieren können, ist das wohl mit Abstand Schlimmste und Ekelhafteste, was man sich denken kann, der Schwarze Tod.

Die Pest kam 1349 nach Norwegen. Die Menschen hatten plötzlich diesen widerlichen Ausschlag, alle waren infektiös, ein Drittel der norwegischen Bevölkerung starb. Wirklich finster – aber phantastisch für Black Metal!

Aus der todesverherrlichenden Attitüde wurde innerhalb des sogenannten „schwarzen Zirkels“ der Osloer Black-Metal-Gemeinde allerdings schon bald blutige Realität: Es kam zu mehreren Morden innerhalb der Szene und zu einer Serie von Brandanschlägen auf die berühmten mittelalterlichen Stabkirchen. 

Ein immens wichtiger Teil der norwegischen Geschichte

Das alles ist nun ziemlich genau 30 Jahre her, und die blutigen Geschichten haben dem Image des norwegischen Black Metal gewiss nicht geschadet, sondern eher zur Mythenbildung und zum weltweiten, berüchtigten Ruf beigetragen. 

Heute ist das Genre im Mainstream angekommen. Mit blutverschmiertem Gesicht und Tierkadavern lässt sich nur noch in Grenzen provozieren. Heute wird eher mit Hybridformen experimentiert: Metal trifft auf Jazz, auf Elektronik oder auf ein klassisches Orchester.

Bands wie Satyricon dürfen heute in der renommierten Osloer Oper auftreten. Steht das im Widerspruch zur Anti-Attitüde und zum Außenseiter-Image? Nicht unbedingt.

Manche der Bands sind seit 30 Jahren aktiv; jetzt schauen sie zurück auf ihre eigene Geschichte, und sie können stolz auf sich sein, auf die Spuren, die sie hinterlassen haben.

Wir können heute über Black Metal reden, wie wir über Knut Hamsun reden, über Edvard Grieg oder Edvard Munch. Es ist ein kulturelles Phänomen, und auch ganz normale Menschen müssen begreifen, wie wichtig dieser Teil der norwegischen Geschichte ist.

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Zudem ist das alles in einem zwanglosen Plauderton geschrieben, als würde Halupczok einem die Geschichte am Tresen einer Bar erzählen. Wobei kein Zweifel herrscht, dass er selbst Fan ist. Das hilft nicht nur, die Schwächephasen der Band in den 90er Jahren einzuschätzen, als die Band sich von ihrem inneren Fankreis zunehmend entfremdet hatte. Es zeigt auch die Fallhöhe für Liebhaber dieser Truppe, wenn man sie alle paar Jahre live erleben kann:
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Anja Höfer