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Wunderbar unperfekt: „Geschlechterkampf" von Sobo Swobodnik

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AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Es gibt ihn noch, den Berliner Off-Film, schnell, klein und radikal produziert. Der Autor und Filmemacher Sobo Swobodnik hat einen Film über den Feminismus der Gegenwart gedreht und erzählt von der arbeitslosen Schauspielerin Marga, die beschließt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis ist eine zeitgemäße Form von Agit-Prop-Kino mit vielen guten Witze über die Macken unserer Gegenwart.

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Als Berlin noch hip und wild war

Der Film fängt virtuos mit einem Gang über den Potsdamer Platz an, der nach wie vor eine Wüste ist, doch nun nicht mehr die kreative Wüste der Vor-Mauerfall-Zeit der 80er, sondern die Architekturwüste einer gescheiterten Stadt. Dieser Film spielt heute, aber er beamt uns atmosphärisch zurück in diese Übergangszeit der 80er- und 90er-Jahre, als Berlin hip und wild war und nicht ein Paradies für die Spießer der Bionade-Bohème.

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Marga (Margarita Breitkreiz) ist eine 42-jährige Schauspielerin die scheinbar den Zenit ihrer Karriere bereits hinter sich hat. Bild in Detailansicht öffnen
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Nicht nur im Theater, auch beim Film scheint es mit fortschreitendem Alter und als Frau, zudem noch als Frau mit migrantischer Herkunft, schwieriger zu werden, Rollen zu bekommen. Bild in Detailansicht öffnen
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Wenn Marga Rollenangebote bekommt, dann sind es ausnahmslos welche, die ihre russischstämmige Herkunft als Klischee bedienen. (Margarita Breitkreiz und Daniel Zillmann) Bild in Detailansicht öffnen
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Der Film versucht anhand der Biografie der Hauptdarstellerin die Geschlechterfragen vor allem in der Kunst, Kultur und beim Film in einer thesenhaften Anordnung zu erkunden. ( Kathrin Angerer, Inga Busch und Margarita Breitkreiz). Bild in Detailansicht öffnen
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Im Film treten auch Personen des öffentlichen Lebens auf, die sich im Feminismus einen Namen gemacht haben und für eine Position stehen, wie Teresa Bücker, Bild in Detailansicht öffnen
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...Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray, Bild in Detailansicht öffnen
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und Michaela Dudley. Bild in Detailansicht öffnen

Es gibt für alles einen Preis

Dieser Film bilanziert den Preis, den wir alle zahlen, jeden Tag, für Sicherheit, Bürgerlichkeit, Moralismus, Verfassungsschutz. Er besteht unter anderem im Verzicht auf Utopien.

Dies ist auch der Preis, den das deutsche Kino in diesen Jahren ganz teuer bezahlt mit seiner durchgeförderten perfekten Langeweile, die noch nicht mal zu einer langweilige Perfektion führt, sondern nur zu schalem Durchschnitt. Nichts ist perfekt an „Geschlechterkampf“. Der Film macht Fehler und nervt, aber er empört die Richtigen.

Erinnerungen an das Kino der Sechziger- und Siebziger-Jahre werden wach

Bei aller Fiktion und Handlung erzählt der Film vor allem dokumentarisch und essayistisch, voller Energie und Haltung beim Regisseur und bei der Hauptdarstellerin und Co-Autorin Margarita Breitkreiz und den vielen anderen, die mitmachen. Alles ist ungefügt, wie in einem Film der sechziger oder siebziger Jahre.

Es wird viel improvisiert, ausprobiert, es wird viel geredet, alles steht immer ein bisschen sehr unter Druck. Die Macherinnen und Macher meinen es schon sehr ernst, wenn sie hier Gleichstellung auf allen Ebenen fordern, genderkonforme Sprache und dauernd von der Vormachtstellung des Patriarchats reden.

Gelungenes „Anti-Kino“

Man könnte es Anti-Kino nennen, denn Meinungen und Didaktik sind hier wichtig. Humor aber auch. Dieser Film ist auch eine Lehrstunde für alle die glauben, dass Filme wie „Barbie" irgendetwas mit Feminismus und toxischer Männlichkeit zu tun hätten oder feministische Diskurse rauf und runter deklinieren würden. „Geschlechterkampf" ist wunderbar. Und kurzweilig.

Trailer „Geschlechterkampf“, ab 3.8. in ausgewählten Programm Kinos

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