Bitterkomischer Theatermonolog

Tief berührender Theaterabend – In „All das Schöne“ suchen Schauspieler und Publikum nach dem Sinn des Lebens

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AUTOR/IN
Marie-Dominique Wetzel

Was macht das Leben lebenswert? Im Theaterstück „All das Schöne“ schreibt ein kleiner Junge genau darüber eine Liste, nachdem seine Mutter das erste Mal versucht, sich das Leben zu nehmen. Der britische Dramatiker Duncan Macmillan hat mit „All das Schöne“ einen bitterkomischen Theatermonolog geschrieben, der das Publikum in die Geschichte miteinbezieht, charmant und empathisch, ohne aufdringlich zu sein. Ein berührender Theaterabend.

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Rückschau auf das eigene Leben

Auf der kleinen Studio-Bühne stehen im Halbrund Sofas und Stühle. Der Schauspieler Gunnar Schmidt tanzt – erst ausgelassen und selbstvergessen, dann wird sein Tanz immer mehr zum Kampf mit sich selbst.

Bis er schließlich zusammenbricht. Die Figur, die er spielt, hält Rückschau auf ihr Leben. Da gab es diese Liste, die er als kleiner Junge schrieb, als seine Mutter ihren ersten Selbstmordversuch unternahm.

Eiscreme und Fernsehen: Wofür es sich zu leben lohnt

Eine Liste mit vielen Gründen, warum es sich zu leben lohnt: Eiscreme zum Beispiel oder Wasserschlachten.

Beim Einlass haben alle im Publikum nummerierte Zettel in die Hand bekommen. Gunnar Schmidt ruft die Zahlen auf und die Zuschauerinnen und Zuschauer lesen die entsprechenden Zettel vor: „Länger aufbleiben und Fernsehen“, zum Beispiel.

Mutter manisch-depressiv, Vater überfordert

Diese Liste hat der Junge irgendwann vergessen, später wiedergefunden und weitergeführt, durch viele Höhen und Tiefen seines Lebens. Wir erfahren, wie es war mit einer manisch-depressiven Mutter und einem überforderten Vater aufzuwachsen. Wie sehr es das ganze Leben des Protagonisten geprägt hat.

Das Publikum wird immer wieder mit einbezogen: mal wird ein Zuschauer aufgefordert, den Vater zu spielen, mal soll eine Zuschauerin die Therapeutin mimen. Manchmal nur als stumme Statisten, manchmal sagen sie auch ein paar Sätze.

Emotionen in der Gemeinschaft erleben

Für Gunnar Schmidt ist dieses Theaterstück ein Glücksfall und eine Form von Theater, die er besonders schätzt: „Wir können an diesem Abend Trauer teilen, Hoffnung und Verletzlichkeit teilen“, sagt der Schauspieler. „Ich nenne das immer den „semi-öffentlichen Raum“ des Theaters: Da sind ganz viele andere, die das jetzt auch erleben.“

Gunnar Schmidt liebt die Nähe zum Publikum. Der Schauspieler kann auf Menschen zugehen, charmant und empathisch, ohne aufdringlich zu sein. Aber natürlich ist dieser Theatermonolog auch eine große Herausforderung.

Gunnar Schmidt spielt sich durch alle Stimmungen

Anderthalb Stunden muss Gunnar Schmidt ganz allein die Spannung halten, durch alle Stimmungsschwankungen des Textes hindurchkommen. Er kann nie mal an Kollegen abgeben oder kurz mal von der Bühne gehen.

Seine Figur trägt den ganzen Abend. Und Gunnar Schmidt holt sie ganz nah an sich ran. Um sich in sie einzufühlen, hat ihm das Kostüm sehr geholfen: lässige, karierte Hose und ein rot-gemustertes Hemd.

„Wir haben nach einem Kostüm gesucht, das keine Distanz schafft“, sagt Schmidt. „Aber es ist gar nicht so einfach, ein Kostüm zu finden, was nicht nach Kostüm aussieht und für mich trotzdem als Kostüm funktioniert.“

Nachdenken über die Schönheit des Lebens

Am Ende des Stücks umfasst die Liste über 1 Million Gründe, warum es sich zu leben lohnt. Um die Bühne herum hängen lange Papierbahnen, auf denen sie aufgeschrieben sind.

Und es werden immer mehr, denn zum Schluss bittet Gunnar Schmidt noch die Zuschauerinnen und Zuschauer aufzuschreiben, was für sie das Leben lebenswert macht. „Wir sitzen in diesem Raum, umgeben von all diesen Dingen, für die es sich zu leben lohnt, das finde ich so schön! Wenn die da alle um das Papier hocken und schreiben – das macht mich wirklich glücklich.“

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