Ein Stuttgarter Künstlerkollektiv hat die Schauspielerin und Autorin Sophie Albrecht wiederentdeckt und um sie herum ein Stück mit Theater, Tanz und Talkformaten über marginalisierte Gruppen, Feminismus und Gleichberechtigung gestrickt – „House of Crinoline“.
„House of Crinoline“ bricht mit Geschlechterklischees
Alles ist in rot blaues Licht getaucht. Von der Decke hängen überall große, weiße Reifröcke – auch Krinolinen genannt, die dem Salon „House of Crinoline“ den Namen geben.
Geht es schon los? Fragt man sich, als erste Performerinnen und Performer sich langsam durch den Saal bewegen. Die Kostüme: eine Mischung aus Gewändern, die an das 18.Jahrhundert erinnern. Auf der anderen Seite Leder, Federkleider und Nieten. Die Optik bricht mit herkömmlichen Geschlechterklischees.
Es gibt mehrere Bühnen, auch der komplette Zuschauerraum wird mit eingebunden. Das Publikum ist schon durch den Aufbau Teil von „House of Crinoline“.
Das Kollektiv entwickelt eine Art Utopie unter der Überschrift: Willkommen im Post-Patriachat!
Bunt, schrill, lustig aber auch verstörend geht es zu. Bei Salon denkt man heute ja oft direkt an den Friseur – und tatsächlich wird auch mit dieser Assoziation gespielt. In einer Ecke zwei Drehstühle, darüber zwei altmodische Trockenhauben.
Sophie Albrecht: Zu Lebzeiten ein Star, heute in Vergessenheit geraten
Im Zentrum des Geschehens steht Sophie Albrecht. Ein Name, der in Vergessenheit geraten ist. Sie war eine Zeitgenossin und Freundin Friedrich Schillers – und zu ihrer Zeit erfolgreiche Schriftstellerin, Komponistin und bestbezahlte Schauspielerin Deutschlands.
In ihren Salons empfing sie alle großen Namen der Zeit. Und: Sie setzte sich dabei für Gleichberechtigung und das Auflösen starrer Geschlechterrollen ein.
Mehr als ein Damenkränzchen Wie sich Frauen mit literarischen Salons einen Platz in der Gesellschaft eroberten
Wer „Salon“ sagt und keinen Frisör meint, spricht heute meist von einem literarischen Salon. Das ist oft eine kleine kulturelle Veranstaltung, bei der gelesen und diskutiert wird. Doch die Salons haben eine lange emanzipatorische Tradition: Meist standen hier Frauen als Gastgeberinnen im Mittelpunkt und eroberten sich so Einfluss und Bedeutung in der Öffentlichkeit.
„Die Idee für das Stück ist geboren worden, weil wir zwei Stücke gemacht haben mit Texten von E.T.A Hoffmann – einem romantischen Schriftsteller – und wir uns immer darüber aufgeregt haben, dass das nur so eine männliche Perspektive ist. Und dann sehr aktiv danach gesucht haben: Was könnte eine weibliche Perspektive sein? Und wir dann mit Sophie Albrecht eine Schriftstellerin auf dem 18. Jahrhundert gefunden haben“, erklärt Christian Müller vom Künstler- und Theaterkollektiv Citizen.Kane.
Ballroom-Kultur kommt auf die Bühne
Sophie Albrechts teils düsteren Texte kommen zu Gehör – unter anderem im Puppentheater, an ihre Geschichte wird auf allen Bühnen erinnert. Wie kann es sein, dass Frauen wie Sophie Albrecht trotz ihres Erfolges zu Lebzeiten später vergessen und verarmt allein verstarben? Und es nicht mal in die Geschichtsbücher schaffen – im Gegensatz zu ihren prominienten männlichen Zeitgenossen?
Dabei darf auch gelacht werden und gefeiert oder, wie es die Macherinnen und Macher von House of Crinoline formulieren: sie tanzen sich die Geister alter Zeiten vom Leib.
Stichwort: Voguing – ein Tanzstil, der in der Ballroom-Szene der marginalisierten homosexuellen Subkultur in New York Harlem entstand und der heute in der Popkultur allgegenwärtig ist.
Namensinspiration war das Fashionmagazin Vogue. Was das mit Sophie Albrecht zu tun hat?
„Wir haben ja auch faszinierenderweise festgestellt, dass die Salons von Sophie Albrecht Safer Spaces waren und wir haben jetzt seit den 60er-Jahren die Ballroom-Kultur, die genauso ein Safer Space ist. Und darum war mir auch wichtig, in den Choreografien die verschiedenen Stile aus dem Ballroom auch reinzuweben und auch überhaupt Schwarzer Tanzkultur“, erklärt Choreografin Cary Clay.
Am Ende bleibt die Frage, wie Geschlecht, sexuelle Orientierung und Hautfarbe künftig keine Rolle mehr spielen. Wie wir uns aus unseren menschengemachten Gefängnissen befreien können. Im Stück repräsentiert durch die Krinolinen. Reifröcke, die an Gitterstäbe erinnern.
Mehr Salonkultur – damals und heute
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